Strauss, Julius

Foto: Staatsarchiv FreiburgDer Kaufmann Julius Strauss wurde am 11.9.1882 im hessischen Groß-Karben geboren. Er wohnte in Bergen-Enkheim im Landkreis Hanau-Hessen und betrieb dort ein Manufakturgeschäft, also einen Laden für Textilien aller Art, das jedoch 1935, aufgrund des Boykotts jüdischer Geschäfte nach der Machtergreifung der Nazis, in Konkurs ging. Mit 25 Jahren, am 23. Juni 1908, heiratete er Toni Tilla Ehrmann, die knapp ein Jahr jünger als er war. Zusammen hatten sie zwei Kinder, Ruth, später verheiratete Haberer und Martha, spätere Levi.

Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde Julius Strauss verhaftet und im KZ Dachau für über einen Monat inhaftiert. Ende 1938 zog die Familie Strauss nach Frankfurt am Main, wohl um der judenfeindlichen Atmosphäre in der hessischen Kleinstadt Bergen-Enkheim zu entfliehen. 1939 kamen die Straussens schließlich nach Offenburg. Während ihrer Zeit hier lebte die Familie in der Hildastraße 57 a und in der Zeller Straße 8. Das Haus in der Zeller Straße, wo sie als Untermieter wohnten, wurde während des Kriegs durch Bomben zerstört, in der Zwischenzeit aber wieder aufgebaut. Im Anwesen in der Hildastraße 57 a wohnten nur jüdische Familien. Vor dem Haus wurde für Julius Strauss ein Stolperstein verlegt. 

Am 22. Oktober 1940 deportierten die Nazis Julius Strauss und seine Frau nach Gurs, von dort aus im Februar 1941, nach Noé. Vor der Deportation mussten Julius Strauss und seine Frau ihre gesamten Wertgegenstände, Gold und Silber, abgeben. Nach der Deportation wurde das Mobiliar beschlagnahmt und versteigert. Knapp zwei Jahre später am 27.2.1943 wurde Julius Strauss ohne seine Frau Toni ins Durchgangslager Drancy verlegt. Am 4.3.1943 musste der Kaufmann seine letzte Reise ins KZ Majdanek antreten, wo er dann umkam. Der genaue Todestag ist nicht bekannt. Es wird angenommen, dass er in diesem Vernichtungslager kaum mehr als zwei Monate überlebt hat. Das Amtsgericht Offenburg legte nach dem Krieg den Todestag auf den 8.5.1945, den Tag der deutschen Kapitulation, fest. Seine Frau Toni hatte mehr Glück, sie wurde am 3.6.1943 ins Château du Begué bei der Stadt Cazaubon verlegt und hier am 18.10.1944 von den Alliierten befreit.

Die überlebenden Familienmitglieder, also Julius Strauss‘ Frau Toni und seine Töchter Ruth und  Martha, wanderten nach Chicago in den USA aus. Von dort zogen Martha und ihre Mutter einige Zeit später nach Durban in Südafrika. Nachdem Julius Strauss für tot erklärt worden war, wurde seiner Frau in einem sich bis weit in die 1950er Jahre hinziehenden Entschädigungsverfahren von der badischen Behörde eine monatlich Witwenrente von 200 DM zugesprochen. Ebenfalls erhielt die Familie eine Haftentschädigung von 9200 DM und Schadensersatz für Wäsche und Kleidung im Wert von 1500 DM.

Lars Richter
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2015/16

Lederer, Julius

Foto: Staatsarchiv FreiburgJulius Lederer wurde am 17.2.1888 in Diersburg geboren. Im Juni 1926 heiratete er die 1898 geborene Irene Friedmann. Ihr Sohn Gert wurde am 19.6.1928 in Offenburg geboren. Die Familie wohnte in der Wilhelmstraße 17.

Julius Lederer war als Kaufmann sehr erfolgreich. Er besaß zwei Geschäfte, ein Elektro- und Radiogroßhandelsgeschäft unter dem Namen ,,Emanuel Lederer Sohn“ in der Steinstraße 24.
Es war der einzige Großhandel für Elektrowaren in Offenburg. Das zweite Unternehmen Lederers war eine kleine Fabrik in der Geberstraße, die unter dem Firmennamen ,,Belag“, was für ,,Badische Elektrizitäts- und Apparatebaugesellschaft“ stand, und entsprechend Waren produzierte.

Der Familie Lederer ging es gut, sie konnten sich sogar ein Dienstmädchen halten. In der Familie wohnten auch der Vater von Julius, Emanuel Lederer, und seine Schwester Betty, für deren Unterhalt der Familienvorstand sorgte.

Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10.11.1938 musste Julius Lederer die beiden Geschäfte zu einem sehr geringen Preis verkaufen. Die Nazis nannten diese Teilenteigenung ,,Arisierung“. Um 1935 noch hatte Julius Lederer die neuen Wohnbauten für die deutschen Soldaten in der Molkenstraße mit Elektrizität versorgen dürfen, doch wurde auch er von dem 10.11.1938 bis zu dem 29.11.1938, wie alle anderen männliche Juden die in Offenburg wohnten, im Konzentrationslager Dachau eingesperrt. Bevor er aus Dachau entlassen wurde, musste er versprechen, sofort seine Auswanderung aus Deutschland in die Wege zu leiten. Nach dem Verkauf seiner Geschäfte und des Wohnhauses konnte Julius Lederer mit seiner Frau Irene und seinem Sohn Gert am 20.4.1939 nach Amerika auswandern. Sie ließen sich im Kalifornischen Long Beach nieder. Hier versuchte Julius Lederer erneut, in das Großhandelsversandgeschäft einzusteigen, hatte jedoch keinen großen Erfolg. Der Familie ging es in Amerika weitaus schlechter als in Deutschland.

Eine Klage auf Wiedergutmachung gegen das Land Baden-Württemberg erbrachte nur ein schmales Ergebnis. Nur ein Bruchteil des einstigen Familienbesitzes wurde entschädigt.

Eric Dechandt
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2018/19

Adler, Jakob

Foto: Helena Bahr

Das Grab Jakob Adlers auf dem Offenburger Waldbachfriedhof

Jakob Adler wurde am 29.10.1867 in Grünstadt in der Pfalz als Sohn von Markus und Martha Adler geboren.

Am 05.07.1897 heiratete er Sophie Rotschild, mit der er vermutlich kurz danach nach Offenburg zog und in der Grabenalle 16, einem dreistöckigen Mietshaus wohnte, das heute noch steht.
Zusammen hatten sie zwei Kinder, Max (1898-1968) und Ida Adler (1901-1945).
 
Beruf
Jakob Adler, ein Mann von mittelgroßer Statur, war Kaufmann und besaß einen Laden für Manufakturwaren, der hauptsächlich Aussteuerartikel verkaufte. Sein Einkommen betrug bis 1933 ungefähr 2800 RM, was ein gesichertes  Einkommen war und seinen Kindern ermöglichte, die höhere Schule zu besuchen.

Auch wenn Jakob als alleiniger Inhaber des Manufakturladens im Handelsregister verzeichnet war, kümmerte sich seine Frau Sophie um den Verkauf und den Betrieb in den vier Tagen der Woche, in denen Jakob Adler auf Reisen war, um seine Kunden in Triberg, Freudenstadt, Schramberg, Furtwangen, Lahr und in der näheren Umgebung Offenburgs zu besuchen. Laut Wiedergutmachungsakte sank ab dem 01.04.1933 der Umsatz jedoch beträchtlich und am 29.03.1938 wurde die Firma handelsrechtlich gelöscht. Vermutlich musste er sie im Zuge der sogenannten „Arisierung“ aufgeben.

Engagement
1914 wurde Jakob bei der Synagogenwahl zu einem der drei Vorstandsmitglieder der Offenburger jüdischen Gemeinde gewählt.

Am 14. Januar 1920 wurde Jakob Adler zum Leiter der Kartenstelle in Offenburg ernannt, doch schon nach zwei Jahren, am 31. Dezember 1921, gab er das wieder auf.

Jakob war Mitglied des Zentralvereins  deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Der Verein wurde 1893 gegründet, um dem im Kaiserreich aufflammenden Antisemitismus zu begegnen. Der Zentralverein repräsentierte alle deutschen Juden, für die Judentum und Deutschtum keine Gegensätze, sondern eine untrennbare Einheit bildeten.
Mit über 72.000 Mitgliedern war es der größte säkulare Verband der deutschen Juden.

Verfolgung
Am 10.11.1938, dem Tag nach der Reichspogromnacht, wurde Jakob gemeinsam mit allen anderen männlichen Juden ab sechzehn Jahren aus Offenburg nach Dachau deportiert. Dort trug er die  Haftnummer 22444. Zuvor wurden die Juden zum Bahnhof gebracht und in Waggons geladen, währenddessen sie geschlagen, getreten und gedemütigt wurden. Der Zug durch Offenburg hielt alle paar Meter und die Juden mussten unter Zwang immer das gleiche Spottlied singen: „Muss i denn, muss i denn zum Städle `naus? …“

Am 27.12.1938 war der 71-jährige Jakob durch das Leben im KZ gesundheitlich angeschlagen und konnte sich nicht schnell genug zum Frühappell begeben.  Daraufhin wurde er von den Wachmännern zusammengeschlagen. Durch die Tortur fiel er auf eine Wasserleitung, die ihm den Kehlkopf eindrückte, woraufhin er verstarb. Das Lager in Dachau war kein Vernichtungslager, sondern diente der Unterbringung der „Schutzhäftlinge“ mit dem Ziel, dass die Gefangenen nach der Freilassung auswanderten.

Doch Jakob Adler war der erste Offenburger Jude, der im Namen des Nationalsozialismus ermordet wurde.

Seine Leiche wurde auf Kosten der Familie in einem plombierten Sarg nach Offenburg gebracht und liegt heute noch auf dem jüdischen Teil des Waldbachfriedhofes begraben.

Helena Bahr
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2013/2014

Geismar, Judith (geb. Beck)

Foto: Staatsarchiv FreiburgJudith Geismar wurde als Judith Beck am 22. Februar 1877 in Lörrach geboren. Der Familienname Beck lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen, und die Becks gehörten zu den drei ältesten jüdischen Familien in Lörrach. Judiths Eltern waren Daniel Beck und Auguste Wertheimer. Insgesamt hatte Judith neun Geschwister, davon sechs Halbgeschwister.

Mit Mitte zwanzig verließ Judith ihre Heimat und zog ins Elsass wie viele ihrer Verwandten zuvor. Seit dem 1. Mai 1907 lebte sie gemeinsam mit dem Metzgermeister Siegfried Geismar, den sie im Februar 1908 heiratete, in der Offenburger Lange Straße 3. Dort gebar Judith ihre ersten zwei Kinder: im Januar 1909 Erna Alice, später verheiratete Reutlinger, ein Jahr darauf Bella Magarete, später verheiratete Wolf. Mit ihren zwei kleinen Töchtern zogen die Geismars um und wohnten ab dem 28. Oktober 1910 in der Kirchstraße 4. Zwei Jahre später wurde Hedwig Adele, die in die bekannte Offenburger Familie Valfer einheiraten sollte, geboren. Das vierte Kind Norbert Helmut kam im Oktober 1916 auf die Welt. Aus Interviews mit ihren Töchtern Erna und Hedwig geht hervor, dass die Kinder Judith und Siegfried Geismar als sehr junge Eltern erlebten, die sich große Mühe gaben, ihre Sprösslinge zwar orthodox, aber doch sehr frei zu erziehen.

Judith war hauptberuflich Hausfrau und Mutter und half ihrem Mann in der eigenen Metzgerei, die er in der Kreuzkirchstraße eröffnete. Nicht nur durch die gute Ware, die sie den Kunden in ihrem Geschäft anboten, waren die Geismars bei den Offenburger Bürgern sehr geschätzt. Trotz ihres orthodoxen jüdischen Glaubens hielt Siegfried seine Metzgerei für die christliche Kundschaft auch samstags geöffnet. Schon kurze Zeit nach dem von den Nazis inszenierten Boykott jüdischer Geschäfte waren die Geismars gezwungen, ihren Laden zu schließen, da der Umsatz ins Bodenlose gefallen war.

Nach der Schließung ihres Geschäftes beantragten die Eheleute  im Mai 1937 Reisepässe, da sich die Lage für die Juden dramatisch verschlechterte und die Familie Deutschland verlassen wollte. Am 1. Juni 1937 wurden die Reisepässe zunächst ausgehändigt, wenig später jedoch wieder eingezogen mit der offiziellen Begründung, ein Kredit sei noch nicht zurückgezahlt. Da sich das Verfahren um die Reisepässe hinzog, beschlossen Siegfried und Judith wenigstens ihre Kinder fortzuschicken. Sie selbst mussten im Mai 1938 in eines der so genannten Judenhäuser in der Gaswerkstraße 17 umziehen. Am berüchtigten 22. Oktober 1940 wurde das Ehepaar nach Gurs deportiert. Knapp zwei Jahre später verlegten die Nazis sie am 25. Januar 1942 in das Lager Récébédou und am 2. Oktober 1942 in das von Noé. Dort trennten sich die Wege beiden Eheleute für immer: Siegfried wurde in das Konzentrationslager Majdanek deportiert und kam dort um. Wie durch ein Wunder konnte Judith überleben: Sie deportierte man am 17. August 1943 nach Lons-le-Saunier, wo sie das Kriegsende erlebte. Nach ihrer Befreiung wanderte sie zu ihren Kindern in die USA aus und lebte dort bei ihrem jüngsten Kind Sohn Norbert in New York. Dort starb sie am 12. August 1948 in einem Krankenhaus im Beisein ihrer zwei Kinder Norbert und Alice. Ihre Todesursache ist unbekannt.      
 

Johanna Bühler
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2014/15

Geismar, Hedwig

Foto: Staatsarchiv FreiburgHedwig Geismar, auch Hedy genannt, kam am 12.6.1912 in Offenburg auf die Welt. Sie wurde als drittes von vier Geschwistern (Erna Alice, Bella und Norbert) in die Familie des Metzgermeisters Siegfried Geismar hineingeboren. Dieser war damals 33 Jahre alt (geb. 12.01.1879) und hatte eine gut gehende Metzgerei in der Kirchstraße 4 (heute Kreuzkirchstraße 4). Unterstützt wurde er dabei von seiner Frau Judith Geismar, geborene Beck, mit der er seit 1908 verheiratet war. Einen Ruhetag am Samstag, wie es die jüdische Religion vorschreibt, konnten sie allerdings nicht einhalten: Der Laden musste für nicht-jüdische Kundschaft offen bleiben, denn um nur vom Verkauf koscheren Fleisches leben zu können, war die Offenburger jüdische Gemeinde nicht groß genug.

Hedy war später Mitglied im Synagogenchor und im „Jugendbund“. Diese Gruppe unter der Leitung von Siegfried Schnurmann bereitete die Jugendlichen vor allem auf eine bevorstehende Auswanderung vor. Es wurde aber auch Sport getrieben, sowie Lieder gesungen und Kulturveranstaltungen abgehalten. In einem Interview, das 1992 in London aufgezeichnet wurde, erinnert sich Hedy an diese schöne Zeit und man spürt, wie wichtig diese Vereinigung war, um auch einmal rauszukommen, aus dem Alltag und den immer häufiger werdenden Schikanen.

Der Alltag war  für die Juden sicher nicht leicht, obwohl es auch viele nichtjüdische Offenburger gab, die „gegen den Strom schwammen“, indem sie z.B. trotz Verbots in jüdischen Geschäften einkauften. Hedy selbst erinnert sich im Interview: „Ich muss sagen, es hat die besten Menschen gegeben unter den Leuten. Sie konnten gar nichts machen dagegen.“ Dass es für die jüdischen Geschäftsleute immer schwerer wurde, lag auch am Boykott vom April 1933. Seitdem lautete es: „Kauft nicht bei Juden“.  An den Boykott von 1933 erinnert sich Hedy nur noch schwach. „Es waren Leute vor dem Geschäft, niemand durfte reinkommen.“ In der folgenden Zeit wurde der Familie verboten, jemanden einzustellen, der ihnen im Geschäft zur Hand gehen könnte. Davor hatten sie, Hedys Aussage nach, „immer Angestellte oder Hilfe im Haushalt“. Der Bruder Norbert half deshalb dem Vater die meiste Zeit in der Metzgerei aus. Im Zuge der „Arisierung“ musste die Familie das Geschäft schlussendlich 1938 schließen, beziehungsweise zu einem Spottpreis verkaufen, und zog im Mai desselben  Jahres in die Gaswerkstraße 17, ein sogenanntes Judenhaus. Außer ihnen lebten dort noch die Familien Grombacher, Hammel und Lion. Hedy hatte in diese Zeit noch eine Anstellung als kaufmännische Angestellte.

Nachdem sie ihren Auswanderungsantrag gestellt hatte, konnte Hedy im Mai 1939 nach England auswandern, wie auch ihre Schwester Bella. Norbert wanderte 1936 in die USA aus.

Im Briefwechsel von Mitarbeitern des Stadtarchivs Offenburg mit ihr im Jahre 1982 berichtet Hedy: „Ich habe nicht die Energie, das was ich vergessen möchte, aber nicht vergessen kann, aufs Papier zu bringen.“; „Ich mochte wohl einst das Schicksal der Offenburger, mit welchen sie zusammen kamen, in vielseitiger Hinsicht geteilt haben, aber wir sind nachher doch wieder Einzelgänger geworden.“

Die Briefe der Eltern, die sie während deren Inhaftierung bekommen hat, möchte sie nicht herausgeben: „Nicht wegen dem Verlieren, wenn sie verloren wären, wäre es noch besser. Wenn ich sie anschaue, ich weiß nicht, ich habe zu viel verloren. Vielleicht bin ich eine besonders weiche Person, ich weiß nicht.“

Hedys Eltern und ihre Schwester Erna Alice wurden 1940 mit den anderen Badener Juden nach Gurs (Südfrankreich) deportiert. Von dort aus trennten sich deren Wege. Judith konnte über Umwege in die USA fliehen, wo sie kurz darauf starb. Auch Erna Alice schaffte es, mit ihrem Mann über die Schweiz nach Amerika zu emigrieren. Siegfried wurde jedoch 1945 im KZ Majdanek in Lublin, wo er 1943 hingekommen war, für Tod erklärt.

 
Alina Müller
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2013/2014

Löwenthal, Gertrud

Gertrud Löwenthal wurde am 16.3.1909 in Freistett geboren. Ihre Eltern waren Simon und Mina Hammel, geb. Bloch. Ihr Vater arbeitete als Viehhändler, sein Geschäft befand sich in Renchen. Simon Hammel starb im Konzentrationslager Gurs, wohin er deportiert worden war. Ihre Mutter Mina konnte in die USA zu entkommen. Ihre Eltern hatten noch eine zweite Tochter, die am 1.1.1919 in Baden-Baden geborene Liselotte Nanette. Auch sie wurde ein Opfer der Nazis, denn sie starb im KZ Izbica in Polen.

Gertrud Löwenthal absolvierte die Volks- und die Handelsschule in Renchen. Danach arbeitete sie im Geschäft des Vaters und erledigte dort die Buchhaltung und Korrespondenz. Hierbei verdiente sie 200 Reichsmark im Monat, welche heute circa 1940 Euro entsprechen.

Gertrud Löwenthal zog am 30.3.1928 nach Renchen in die Hermannstraße 20  und am 1.12.1931 in die Offenburger Sofienstraße 3. Dort lebte sie mit ihren Eltern in einer Vier-Zimmer-Wohnung. Rund 5 Jahre später, am 4.6.1936 verzog sie weiter nach Bruchsal, verließ die Stadt aber wieder, um im Juli dieses Jahres zurückzukehren.

Am 12.1.1938 reiste Gertrud Hammel alleine von Bremen nach New York. Insgesamt 1600 Reichsmark kostete sie die Überfahrt, was heute circa 15520 Euro entspricht. Das Schiff  des „Nordatlantik – Dienstes“ mit welchem sie fuhr, war eines der größten Dampfschiffe seiner Zeit, es hieß „Bremen“. In New York arbeitete sie ab 1942 als Fabrikarbeiterin am Fließband, da sie die englische Sprache noch nicht beherrschte. In New York lernte sie ihren späteren Mann Paul Löwenthal kennen, welcher auch ein jüdischer Auswanderer war. Nach  Ende des Zweiten Weltkrieges holte Gertrud Löwenthal ihre Mutter Mina zu sich in die USA.

Nach dem Ende der Nazizeit stellte Gertrud Löwenthal einen Antrag auf Wiedergutmachung. Nach langwierigen Verhandlungen mit der deutschen Wiedergutmachungbehörde erhielt sie 1960 eine „Entschädigungszahlung“ von rund zehn Prozent ihrer Kosten für die Überfahrt.

 
Jakob Schmidt (Oken-Gymnasium Offenburg)
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2018/19

Rosenheimer, Mina & Charlotte (geb. Tannhauser)

Foto: Staatsarchiv FreiburgVon Charlotte Rosenheimer ist kaum etwas bekannt. Sie erblickte als Charlotte Tannhauser am 24. August 1863 in dem kleinen Ort Dettensee in Hohenzollern das Licht der Welt. Zusammen mit ihrem Mann, dem Kaufmann Samuel Rosenheimer, hatte sie drei Töchter.
 
Nach dem Tod ihres Mannes zog die Witwe mit den Kindern um 1908 nach Offenburg. In den Adressbüchern der Stadt ist sie als Charlotte Rosenheimer, Witwe des Samuel Rosenheimer, erstmals 1908 in der Glaserstraße 4 und letztmals 1942 in der Okenstraße 3 eingetragen. Sie wird da als „Privatiers-Witwe“ geführt, das heißt, sie lebte von ihrem Vermögen bzw. Ersparnissen, obwohl sie 1908 erst 45 Jahre alt war. Ihr Mobiliar, welches nach ihrem gewaltsamen Tod unrechtmäßig von den Schergen des Nazi-Regimes versteigert wurde, hatte einen Wert von 10.000 DM, wie die Entschädigungsbehörde nach dem Krieg feststellte. Außerdem war sie im Besitz verschiedener Bankkonten mit einem Gesamtwert von etwa 4500 DM.
 
Die älteste Tochter Selma, geboren am 7.1.1888, konnte der Deportation entkommen, da es ihr noch rechtzeitig gelang nach Zürich auszuwandern. Ihr weiterer Lebensweg ist unbekannt. Ihre am 18.4.1889 geborene Schwester Frieda arbeitete im Schuhhandel des Großvaters zusammen mit ihrer jüngsten Schwester, der am 18.6.1890 geborenen Mina. Frieda muss irgendwann auch in Pforzheim gewohnt haben, da sie dort gemeldet war. 1938 emigrierte sie in die USA, wo sie 1971 starb. So konnte auch sie wie ihre älteste Schwester der Ermordung durch die Nazis entkommen.
 
Foto: Staatsarchiv FreiburgDie jüngste Tochter Mina hingegen blieb bei ihrer Mutter in Offenburg und führte den Schuhhandel des Großvaters weiter. Am 26. April 1942 wurde sie zusammen mit 285 anderen Juden in ein Massenlager nach Stuttgart transportiert, von wo sie nach Izbica, einem polnischen Städtchen, das als „Drehkreuz des Todes“ in die Geschichte einging, deportiert wurde. Das Ghettto Izbica diente den Nazis als Durchgangslager, aus dem die Juden dann in die Vernichtungslager Belzec, Treblinka und Sobibor gebracht und ermordet wurden. Wahrscheinlich hat dieses grausame Schicksal auch Mina erleiden müssen, die Umstände ihres Todes sind ungeklärt. Das Amtsgericht Offenburg legte nach dem Krieg den Todeszeitpunkt auf den 31.12.1945 fest.
 
Ihre Mutter Charlotte wurde am 21. August 1942 direkt in das KZ Theresienstadt im heutigen Tschechien deportiert. Die Nazis hatten dieses KZ als „Vorzeigelager“ hergerichtet, um die nationale wie internationale Öffentlichkeit über den wahren Charakter der Konzentrationslager zu täuschen. Laut der Todesanzeige, die von der Lagerverwaltung in Theresienstadt ausgestellt wurde, soll Charlotte Rosenheimer wenige Tage nach ihrer Ankunft am 3. September 1942 an Enteritis, also einer Darmentzündung, gestorben sein. Dies ist einerseits zu bezweifeln, wurden die wahren Todesumstände doch oftmals verschleiert, andererseits schon möglich, da dort sehr schlechte hygienische Bedingungen herrschten.
 
Im Entschädigungsverfahren nach dem Krieg erhielten die beiden Überlebenden der Familie, die Töchter Selma, nun verheiratete Wolf und Frieda, ebenfalls mit einem Wolf verheiratet, rund 15.000 DM zugesprochen. Was mit dem großväterlichen Schuhgeschäft geschah, muss unaufgeklärt bleiben, jedoch wurde dieses im „Dritten Reich“ höchstwahrscheinlich „arisiert“.
 

Jana Wolf & Neslihan Altay
Projekt Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2015/16

Bodenheimer, Franz Josef

Foto: Staatsarchiv FreiburgFranz Josef Bodenheimer wurde am 20.8.1890 in Offenburg geboren. Seine Eltern waren der Viehhändler Franz und Fanny Bodenheimer, eine geborene Hauser. Er hatte eine ältere Schwester namens Lisa, eine jüngere, die wie ihre Mutter Fanny hieß und einen Bruder mit Namen Berthold. Franz Josef Bodenheimer war nicht verheiratet und hatte keine Kinder.

Zusammen mit seiner Schwester Lina, die nach ihrer Heirat den Namen Weisenberger trug, betrieb der gelernte Kaufmann ein Ausstattungsgeschäft in der Ritterstraße 18-20. Den Laden hatten sie von ihren Eltern übernommen, wobei Franz die Möbel- und Lina die Wäscheabteilung führte; den Gewinn halbierten sie. Auch wohnten sie zusammen. Die Wohnung bestand aus 3 Zimmern, einer Küche und einer Mansarde. Allerdings wechselte Franz vor 1920 mehrmals seinen Wohnort und pendelte zwischen Chemnitz, Marktbreit am Main und Karlsruhe hin und her. Und selbst in Offenburg zog er häufig um.

Schon kurz nach der Machtübertragung an die Nazis mussten Franz Josef und Lina feststellen, dass ihr Geschäft immer schlechter lief. Für den 1. April 1933 rief das „Zentral-Komitee zur Abwehr jüdischer Greuel- und Boykotthetze“ unter Parolen wie „Deutsche! Wehrt Euch! Kauft nicht bei Juden!“ zum reichsweiten Boykott jüdischer Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte auf. Als man merkte, dass dies bei der deutschen Bevölkerung auf nicht allzu viel Wiederstand stieß, sahen sich die Nazis bestätigt. Sie konnten damit fortfahren, Juden aus allen politischen, wirtschaftlichen oder sozialen Beziehungen auszuschließen.

Noch 1933 erzielten Franz und Lina einen durchschnittlichen Umsatz von 75.000 Mark, der drei Jahre später auf gerade einmal 8. – bis 10.000 Mark zusammengeschmolzen war. Dadurch sahen sie sich schon 1936 gezwungen, das Möbelgeschäft aufzugeben. Der Ladenraum wurde vermietet. 1938 konnten sie auch das Wäschegeschäft nicht mehr halten. Sie machten einen Ausverkauf, und mit dem Erlös finanzierte Lina ihre Auswanderung nach Argentinien. Franz allerdings fehlten die Mittel; auch besaß er keine Verbindungen ins Ausland, um dort eine neue Existenz gründen zu können.

Somit lebten er und sein Bruder Berthold noch einige Zeit in Offenburg. Franz konnte sich trotz der geringen Mieteinnahme, die er aus der Verpachtung des Wäschegeschäftes hatte, in seiner Wohnung halten. Am 20.10 1940 wurde er zusammen mit allen anderen badischen Juden nach Südfrankreich deportiert, in das Lager Gurs in den Pyrenäen. Franz Josef Bodenheimer gilt ab diesem Zeitpunkt als verschollen und wurde auf den 8.5.1945 für tot erklärt: Hinsichtlich der ermordeten Juden war es üblich, den Zeitpunkt der Kapitulation Deutschlands stellvertretend für das tatsächliche Todesdatum zu nehmen.

 
Benedikt Hambsch, 2018-19
Gedenkbuch im Salmen

Kahn, Hans & Grete (geb. Schmidt)

Foto: Staatsarchiv FreiburgHans Robert Kahn wurde am 14.8.1907 in Offenburg geboren. Er hatte noch einen zwölf Jahre älteren Bruder namens Ludwig. Zusammen mit seinem Bruder gehörte ihm die alteingesessene Zigarrenfirma „Adolf Kahn OHG“. Wegen ihrer jüdischen Abstammung mussten die Brüder das Unternehmen verkaufen, und im Januar 1939 wurde das Unternehmen ganz aus dem Handelsregister gelöscht. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 hielten die Nazis Hans 35 Tage lang im Konzentrationslager Dachau fest. Nach seiner Freilassung ordneten die Behörden an, dass er Deutschland so schnell wie möglich zu verlassen hätte, ansonsten müsste er einer erneuten Festnahme entgegensehen.
 
Einige Jahre zuvor, am 18.5.1935, hatte er in Bruchsal Grete Regina Schmidt geheiratet. 
 
Foto: Staatsarchiv FreiburgGrete Regina Kahn war die Tochter des Arztes Leopold Schmidt und seiner Frau Elisabeth und wurde am 19.2.1914 in Karlsruhe geboren. Nach der Eheschließung siedelte sie mit ihrem Mann nach Offenburg in die Okenstraße 3 über. Noch im selben Jahr zog das junge Paar am 16. Mai in die Turnhallenstraße 14 um. Drei Jahre später, am 29.5.1938, kam ihre Tochter Dorothy Jane in Gengenbach auf die Welt.
 
Über Grete Reginas Kindheit und Schulzeit ist nahezu nichts bekannt. Aus dem Erhebungsbogen zur Dokumentation der Judenschicksale 1933 – 1945 in
Baden-Württemberg, der 1964 erstellt worden ist, ist jedoch zu entnehmen, dass sie ein Studium anfing. Da sie 1933 an der Universität Heidelberg nicht immatrikuliert wurde, ging sie für ein Semester nach Genf, danach auf die Sorbonne in Paris. Leider wurde auf dem Bogen nicht vermerkt, welche Fächer sie studierte. 1934 musste sie ihr Studium abbrechen, da behördlicherseits die Devisenausfuhr untersagt  wurde und sie kein Geld mehr hatte.
 
1938 wanderten die beiden Brüder Kahn mit ihren Familien aus. Hans hatte zunächst vor, mit seiner Frau und seiner gerade einmal ein Jahr alten Tochter nach Buenos Aires zu gehen. Dies konnte er jedoch nicht verwirklichen, da der zweite Weltkrieg begann, nachdem er kurz zuvor im August 1939 mit Frau und Kind nach Basel ausgereist war. Sie wollten nun mit dem Flugzeug von dort nach London gelangen. Die Schweizer Luftlinie hatte jedoch einige Tage vor Kriegsbeginn ihren Verkehr mit England eingestellt; so hatten sie keine Möglichkeit mehr die Schweiz zu verlassen. Eine Ausreise in die USA, worauf sie hofften, war zu diesem Zeitpunkt ausgeschlossen, da die Amerikaner nur eine bestimmte Quote von Immigranten zuließen. Sie hatten keine andere Wahl, als acht Monate in einem Zimmer in einer kleinen Pension zu verbringen, bis sie endlich am 17.4.1940 das Transitvisum für das italienische Genua erhielten. Nach einer sehr stürmischen Überfahrt erreichten sie schließlich mit dem Dampfer „Washington“ am 29.4.1940 New York. 
Wovon sie dort lebten und welche Zweitkarriere Hans eventuell starten konnte, ist nicht bekannt. Im Jahr 1945 bekamen er und Grete ihr zweites Kind Steven.
 
Sie und ihr Mann müssen vermögend gewesen sein, da allein der Wert ihres Haushalts 100.000 RM betrug. Als die Kahns auswandern wollten, sollte der Haushalt in zwei so genannten Lifts mitgeführt werden. Diese wurden jedoch in Hamburg beschlagnahmt und anschließend von den Nazi-Behörden unrechtmäßig versteigert. Das Landgericht Hamburg entschädigte die Kahns nach dem Krieg mit 75.000 DM.

Am 10.8.1962 starb Hans Robert im Alter von nur 55 Jahren, woran, ist unbekannt.

Grete Regina Kahn lebte nach seinem Tod bei ihren zwei Kindern im New Yorker Stadtteil Manhattan, in der 1795 Riverside Drive New York 34, eine Adresse, welche nach Internetquellen auch heute noch die aktuelle der Familie ist. Am 16. Oktober 2010 verstarb sie im Alter von 96 Jahren. Nach der Todesanzeige in der New York Times vom 18.10.2010 war sie Großmutter eines Michael, vermutlich das Kind ihrer Tochter Dorothy.
 

Gabriella Kinefss & Sabine Hübner       
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2014/15

Grumbacher, Hedwig (geb. Zivi)

Foto: Staatsarchiv FreiburgHedwig Zivi wurde am 05.07.1886 im badischen Müllheim geboren. Sie stammte aus einer wohlhabenden Familie. Ihr Vater, der Kaufmann Moses Zivi, verfügte unter anderem über diverse Wertpapiere, die Hedwig nach seinem Tod erbte. Daher verwundert es wenig, dass sie zwar Klavierspielen, aber keinen eigenen Beruf erlernte. Das war damals für Töchter aus gutbürgerlichem Haus üblich: Die Mädchen sollten ihren zukünftigen Ehemännern gute Frauen und gute Mütter der gemeinsamen Kinder sein.

1913 heiratete sie Max Grumbacher, einen im Jahr 1882 in Rust geborenen Kaufmann. Gemeinsam hatte das Paar 2 Söhne:
Gustav, geboren am 03.11.1913 in Mülhausen im Elsaß, von Beruf ebenfalls Kaufmann. Anscheinend erkannte er schon frühzeitig, dass Juden im Nazideutschland keine Zukunft mehr haben würden. Daher wanderte er im April 1934 bereits nach Buenos Aires aus. Über seinen weiteren Lebensweg ist nichts bekannt. Im Jahr 1964 war er es, der als letzter Überlebender der Familie in Deutschland Wiedergutmachung beantragte.

Sein Bruder Hans, geboren am 15.08.1915 in Mannheim, war von Beruf Mechaniker. Auch er wanderte noch “rechtzeitig”, im Jahr 1936, nach Los Angeles aus und verstarb dort noch in jungen Jahren am 09.12.1949.

Hedwig ließ sich 1923 scheiden. Die Gründe für die Trennung von ihrem Ehemann Max Grumbacher sind unbekannt. Im Jahr davor zog sie bereits vom eigentlichen Wohnsitz der Familie in Mannheim nach Offenburg. Dort lebte sie mit den beiden Söhnen und ihrem Vater in der Langen Straße 56 in einer gemeinsamen Wohnung. Oft findet man ihren Vater auch unter dem Vornamen Max Zivi, wir vermuten, er hat seinen Namen Moses ändern lassen, um nicht direkt am Vornamen als Jude erkannt zu werden.

Ein Jahr nach dem Tod ihres Vaters wurde Hedwig Grumbacher am 22.10.1940 nach Gurs (Frankreich) deportiert. Die staatlichen Behörden beschlagnahmten ihre Wohnungseinrichtung in der Langen Straße 56 und versteigerten sie. Die von ihrem Vater geerbten Wertpapiere wurden ebenfalls vom Staat kassiert.

Von Gurs wurde Hedwig nach Récébédou, anschließend nach Drancy und schließlich am 28.08.1942 nach Auschwitz deportiert. Man weiß nicht, ob sie gleich nach der Ankunft dort umgebracht wurde oder noch eine Zeit überlebte. Das Amtsgericht Offenburg legte ihren Todeszeitpunkt daher auf den 08.05.1945.

 
Greta Gille
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2014/15