Maier, Jakob

Jakob Maier (* 5.5.1880 in Hilsbach), in Offenburg später als „Hosen-Maier“ bekannt, zog 1908 mit 28 Jahren von Mannheim nach Offenburg um und eröffnete ein Herrenkonfektionsgeschäft in der Hauptstraße.
Ein Jahr später heiratete er Fanny Bergheimer (*21.3.1889 in Diersburg). Jakob und Fanny Maier bekamen zwei Kinder, der Sohn Hans wurde  am 28. November 1910 in Offenburg geboren und die Tochter Margarete am 29. März 1914 ebenfalls in Offenburg.

Von 1916 bis 1918 kämpfte Jakob Maier für Deutschland im Ersten Weltkrieg und war danach bis 1920 in französischer Kriegsgefangenschaft. Seine Rückkehr nach Offenburg war für seine Tochter Margarete, zu diesem Zeitpunkt sechs Jahre alt, ein großes Ereignis, welches sie ihrer eigenen Tochter oft beschrieb:
Als Margarete gesagt wurde, sie solle sich zu ihrem Vater setzen, als dieser vom Krieg nach Hause kam, war er für sie zuerst wie ein Fremder. Bei seinem Weggang war sie erst zwei Jahre alt gewesen und nun verstand sie nicht, dass dies ihr Vater sein sollte. Mit der Zeit jedoch entwickelte sich ein eine sehr enge und liebevolle Beziehung zwischen Margarete und Jakob.

Wieder zurück in Offenburg arbeitete Jakob Maier nun wieder in seinem Konfektions-geschäft. Laut Margarete liebten Fanny und Jakob das Gärtnern und besaßen einen Garten, in dem sie Gemüse und Obst pflanzten. In seiner Freizeit saß Jakob Maier gerne mit seinen Freunden am Stammtisch im Hotel Sonne.
Margarete beschrieb ihren Vater außerdem als sehr freundlichen Mann, der in der Gemeinde respektiert wurde. Seine Schwiegermutter behandelte er so fürsorglich, dass viele dachten, es wäre seine eigene Mutter.

Am 5. August 1937 stellten Jakob und Fanny Maier einen Antrag auf Ausreiseerlaubnis nach Frankreich, um dort an der Hochzeit ihres Sohnes Hans teilzunehmen, was ihnen auch gestattet wurde.

Dann jedoch änderte sich alles. Noch im Jahr 1937 wurde das Geschäft der Maiers geschlossen. Die Familie zog im Jahr darauf in ein Haus in der Ortenberger Straße 12 um. Dort befinden sich heute zwei Stolpersteine für Jakob und Fanny.
Nach der Reichspogromnacht wurde Jakob, wie alle anderen männlichen Offenburger Juden über 16 Jahre, nach Dachau deportiert, wo er bis zum 17.12.1938 im KZ bleiben musste.
Die Familien der Betroffenen beschrieben dies als schreckliche Zeit, in der man nie wusste, wann und ob die Deportierten zurückkommen würden. Einige der Deportierten starben nach ihrer Rückkehr an den Folgen der Misshandlungen im KZ.

Mit Beginn des Jahres 1939 trat das Gesetz, welches allen männlichen Juden den Zunamen Israel verlieh, in Kraft. Dies betraf auch Jakob. Ebenfalls im Jahr 1939 wurde das Grundstück der Maiers in der Ortenberger Straße veräußert. Später im Jahr 1939, am 8. Mai, stellten Jakob und Fanny einen Antrag auf Erlaubnis zur Wohnsitzverlegung in die USA. Warum sie aber dennoch nie auswanderten, ob sie nicht alle Papiere beisammen hatten oder ihnen das Geld ausging, dazu gibt es keine Quellen. Sicher ist aber, dass vielen Familien das Geld zur Auswanderung letztendlich fehlte und da Verwandte, die schon im Ausland waren, bei der Finanzierung nicht helfen durften, scheiterte die Auswanderung oft an der Finanzierung. Auch Fannys und Jakobs Tochter Margarete, die schon früher in die USA ausgewandert war, konnte ihre Eltern deshalb nicht bei ihren Auswanderungsplänen unterstützen.

Am 30. September 1940 mussten Jakob und Fanny umziehen, diesmal in die Zellerstraße 8, ein „Judenhaus“, in welchem viele jüdische Familien auf engstem Raum zusammenleben mussten.
Nur 22 Tage nach diesem Umzug wurden Jakob und Fanny gemeinsam mit 97 anderen Offenburger Juden nach Gurs, einem Lager am Fuße der Pyrenäen, deportiert, wo sie beinahe zwei Jahre inhaftiert waren.
Am 17. August 1942 wurden sie von Gurs in das Lager Les Milles (bei Marseille) und von dort wenige Tage später ins KZ Auschwitz gebracht. Dort wurden sie höchstwahrscheinlich bei ihrer Ankunft erschossen.
Das offizielle Todesdatum von Fanny und Jakob Maier ist auf den 8. Mai 1945 gelegt worden, den Tag der Kapitulation des Deutschen Reiches.

Louisa Gille
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2011/12

Bloch, Isidor (*01.07.1878 in Schmieheim)

Isidor Bloch wurde am 1. Juli 1878 als Sohn von Samuel Bloch und Marie Bloch (geb. Weil) in Schmieheim geboren. Am 19. August 1909 heiratete er in Mannheim Elsa Hirsch. 1917 gebar Elsa in Mannheim ihren ersten Sohn Hans. In den USA nannte er sich später „Henry“. Vom 20. Januar 1919 bis zum 1. April 1937 war die Familie zunächst in der Friedrichstraße 7, ab 1928 in der Augustastraße 3 in Offenburg polizeilich gemeldet.

Isidor übernahm die „Essigfabrik und Branntweinbrennerei Pfaff“ (gegründet von Anton Pfaff, in der Seestraße 1), aus der er Einkünfte von monatlich 300 Reichsmark (RM) bezog. 1920 kam Elsas und Isidors zweiter Sohn, Werner, zur Welt. In den USA nannte er sich später „Warren“. Aufgrund der antijüdischen Gesetzgebung der Nationalsozialisten musste Isidor die ‚Essigfabrik und Branntweinbrennerei Pfaff‘ aufgeben. Sechs Monate nachdem Hitler an die Macht gekommen war, einigte er sich mit dem früheren Besitzer, dass dieser die Firma offiziell wieder übernehmen sollte. Isodor führte jedoch die Geschäfte weiter. Einige Monate später stand er, nach Aussage seines Sohnes Warren, eines Montags vor verschlossener Tür. Er wurde nicht mehr in die Firma hereingelassen. Da er als Jude rechtlos war, konnte er dem nichts entgegen setzten. Er verlor somit sein Einkommen und konnte die Familie nicht mehr ernähren. Aus diesem Grunde eröffnete Elsa Mitte 1936 in einem Teil ihrer Wohnung ein jüdisches Café, welches zumindest für eine kurze Zeit als Treffpunkt für die jüdische Bevölkerung diente.

Durch die antijüdischen Maßnahmen sah die Familie im nationalsozialistischen Staat keine Zukunft mehr und beschloss, in die Vereinigten Staaten von Amerika auszuwandern. Hans und Werner Bloch reisten am 19. Juli 1936 über Paris, Cherbourg und New York nach Pittsburgh zu Verwandten.
Isidor und Elsa folgten ihren Söhnen im April 1937. Sie hatten Probleme mit der Ausreisegenehmigung, da sie noch Schulden durch die Essigfabrik hatten. Erst als sie diese bei der Sparkasse abgelöst hatten, vermutlich mit finanzieller Hilfe von Verwandten, konnten sie über Straßburg ebenfalls nach Pittsburgh auswandern.

In Pittsburgh wurden sie dann in der ersten Zeit von ihren Söhnen finanziell unterstützt. Laut Aussage des Sohnes Warren erhielten sie wöchentlich die Hälfte seines Gehaltes zur Unterstützung. Später arbeitete Isidor wieder.

In der Zeit zwischen 1943 und 1947 erzielte er laut der Wiedergutmachungsakte ein jährliches Einkommen von ca. 2000 US Dollar. Seine genaue Tätigkeit ist nicht bekannt.

Am 6. Juli 1966 verstarb Isidor Bloch in Pittsburgh und wurde dort auch beigesetzt. Seine Frau Elsa starb am 27. Juli 1971 ebenfalls in Pittsburgh.
Isidor und Elsa hinterließen neben ihren beiden Söhnen fünf Enkelkinder (davon zwei von Hans und drei von Werner Bloch).

Annabelle Fomferra
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2012/13

Wertheimer, Else & Margarete

Else Hedwig Elisabeth Wertheimer wurde am 8. November 1878 in Offenburg geboren, ebenso ihre Schwester Margarete Antonie Wertheimer am 29. Oktober 1889. Ihre Eltern waren der Weinhändler Leonhard Wertheimer und seine Frau Henriette, geb. Rosenstern.

Else erlernte den Beruf der Bibliothekarin, schied allerdings 1923 wegen eines Lungenleidens aus. Sie zog 1916 aus der Gerberstraße, bis dahin die Wohnung der beiden Schwestern, nach Frankfurt am Main, kehrte 6 Jahre später aber wieder zurück. Noch im selben Jahr zog sie nach St. Blasien; als weitere Adressen sind für Offenburg noch die Volkstraße 30 und der Frauenweg 11 nachgewiesen. Es ist unbekannt, warum sie so viele Male umzog, ebenso wie sie ihren Unterhalt bestritt. Der Aufenthalt in St. Blasien könnte mit ihrem Lungenleiden zu erklären sein, da sich in dem Luftkurort ein darauf spezialisiertes bekanntes Sanatorium befand.

Margarete war eine freiberuflich arbeitende Klavierlehrerin, die in Offenburg sehr beliebt und angesehen war. Von ihren Schülern und Schülerinnen verlangte sie 3 bis 5 Mark pro Stunde – für damalige Verhältnisse recht viel Geld, wie sich viele nach dem Krieg noch erinnern konnten. Ab 1951 konnte sie wegen Gelenkrheumas nicht mehr arbeiten.

Die Schwestern zogen schon Anfang 1933 nach Straßburg, weil wohl beiden im Gegensatz zu vielen Zeitgenossen recht schnell klar war, was die Naziherrschaft für die Juden mit sich bringen würde. Ihren Lebensabend verbrachten die beiden Schwestern in der Nähe von Lausanne. Margarete verstarb am 18. April 1964, das Sterbedatum Elses ist leider unbekannt.

Lina Kiefer
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2016/17

Hammel, Irma

Irma Hammel kam am 5. April 1901 in Freistett bei Kehl als jüngste Tochter des Ehepaares Josef und Berta Hammel auf die Welt. Sie heiratete am 17. Mai 1923 ihren sehr viel älteren, ebenfalls in Freistett 1888 geborenen Cousin Julius Hammel, der von Beruf Viehhändler war. Nach ihrer Hochzeit ließen sich die beiden zunächst in Baden-Baden nieder. Hier brachte Irma ihre erste Tochter Hedwig, genannt Hedy, am 22. Februar 1924 zur Welt.

Im Oktober desselben Jahres zog die dreiköpfige Familie nach Offenburg. Ihren Wohnsitz nahmen sie in der Gaswerkstrasse 17, wo der Ehemann auch seinen Viehhandel betrieb. Die Familie lebte in einem geräumigen Haus mit acht Zimmern, das in gutbürgerlichem Stil eingerichtet war. Am 10. September 1925 gebar Irma hier ihre zweite Tochter Ingeborg Lore.

Nach der Machtübertragung an die Nazis im Januar 1933 wurden Menschen jüdischen Glaubens unterdrückt, ihre Geschäfte beschädigt und ihre Verdienstmöglichkeiten immer mehr eingeschränkt. So kam auch die Familie Hammel in finanzielle Schwierigkeiten. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938, als in Deutschland die Synagogen brannten, holten die Nazis auch Irmas Ehemann Julius ab und nahmen ihn in „Schutzhaft“.  Die jüdischen Männer wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt. Kurz nach der Freilassung von Julius Hammel am 10. Dezember 1938 beantragte die Familie die  Ausreise in die USA. Der Antrag konnte aber wegen fehlender Unterlagen nicht fertiggestellt werden.

Am berüchtigten 22. Oktober 1940 wurde Irma mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in das Lager Gurs nach Südfrankreich deportiert. Im September 1941 wurden sie ins Lager Rivesaltes gebracht, aus dem die beiden Töchter glücklicherweise im Mai 1942 entlassen wurden. Sowohl Hedy als auch Ingeborg gelang es, in die Vereinigten Staaten nach New York zu entkommen. Irma Hammel und ihr Mann jedoch wurden zunächst weiter in Rivesaltes gefangen gehalten und am 11. September 1942 dann ins Durchgangslager Drancy bei Paris deportiert. Hier verlieren sich ihre Spuren. Da von Drancy aus die Transporte in die Vernichtungslager im Osten erfolgten, muss man davon ausgehen, dass das Ehepaar Hammel wenige Tage später in eines dieser KZ gebracht und dort vermutlich direkt nach Ankunft ermordet wurde. 

Durch Beschluss des Amtsgerichts Offenburg vom 29. August 1949 wurden Irma und Julius Hammel für tot erklärt. Als Todeszeitpunkt wurde der Tag der deutschen Kapitulation, der 8. Mai 1945, festgelegt.

Die beiden Töchter Hedy, später verheiratete Kahn und Ingeborg, später verehelichte Friedmann, blieben in den USA und bekamen dort ihre Kinder.  

Asli Dogan
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2017/18

Neu, Clementine (geb. Wolf)

Clementine Neu wurde am 24. Februar 1886 in Wangen am Bodensee als Tochter von Nanette und Ludwig Wolf geboren. Sie hatte mehrere Geschwister, darunter Dr. Nathan Wolf, der in Offenburg seinerzeit ein sehr bekannter und angesehener Arzt war. Im Oktober 1902 trat sie in Basel in die höhere Töchterschule ein. Diese Schule ist heutzutage mit einem Mädchengymnasium vergleichbar. Dort besuchte sie dann u. a. 2 Jahre lang die Fortbildungsklasse der kaufmännischen Abteilung. Ihr Abschlussdiplom erhielt sie 1905. Während ihrer Ausbildung hier lernte sie Englisch, Französisch und Italienisch.

Im Jahr 1920 heiratete Clementine den 1874 geborenen Offenburger Kaufmann Emil Neu. In die Ehe brachte sie 25 000 Mark ein, zur damaligen Zeit ein kleines Vermögen, welches ihr Ehemann sogleich in sein Geschäft steckte.

Clementine war die zweite Ehefrau ihres Mannes. Sie musste sich daher auch um die Kinder aus seiner ersten Ehe kümmern: Um Erwin, geboren 31.5.1908, um Alice, geboren 22.9.1909, und um Erich, geboren 8.5.1912. Die Kinder genossen eine standesgemäße Erziehung: Erwin studierte wie seine Schwester nach dem Abitur Zahnmedizin und Erich arbeitete nach der Schule bei seinem Vater im Geschäft mit.

Im Jahr der Hochzeit, 1920, eröffnete ihr Mann eine Wäschefabrik in der Wasserstraße, in der Clementine mitarbeitete. Sie stand ihrem Mann bei der Führung des Geschäftes zur Seite und war dabei selbständig tätig. So überwachte sie die Angestellten, beschäftigte sich mit Kalkulationen, Korrespondenzen, Einkauf, Verkauf sowie Versand.

Zunächst wohnte das Ehepaar in der Ortenbergerstraße Nr. 46. Auf eine gute Wohnungseinrichtung legte Clementine sehr viel Wert. Auch hatten die Neus ein Dienstmädchen angestellt, welches sich um den Haushalt kümmerte und das Kochen besorgte. Nahezu jeden Tag fuhren Clementine und Emil mit dem Auto – damals ein ausgesprochener Luxusgegenstand – zur Arbeit ins Geschäft. Es ging ihnen sehr gut.

Nach der Machtübertragung an die Nazis bekamen die Neus allerdings schnell die Feindseligkeit der neuen Machthaber zu spüren: Ihr Geschäft wurde boykottiert, und die Einnahmen sanken mehr und mehr. Clementine brauchte immer weniger mitzuarbeiten. Kurz nach der Verhaftung ihres Mannes nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurde sie von einem Bevollmächtigten der Leinenweberei Walter Clauß in Offenburg aufgefordert, das Geschäft zu verkaufen. Nur wenige Tage nach dem schrecklichen Pogromerlebnis, am 25.11.1938, verkaufte das Ehepaar seine Wäschefabrik weit unter Preis – die Nazis nannten das „Arisierung“.

Am 22. Oktober 1940 wurde das Ehepaar im Zuge der Aktion gegen pfälzische und badische Juden festgenommen und nach Gurs in Südfrankreich deportiert. Überraschenderweise wurden die Beiden rund zwei Monate später im Dezember von dort in die Stadt Pau entlassen, doch nicht einmal ein Jahr später, am 6. August 1941, erneut in Gurs interniert. In dem Pyrenäenlager herrschten schreckliche Verhältnisse, u. a. mussten sie auf nassem Lehmboden schlafen. Während ihrer Zeit dort brach sich Clementine den Arm, was jedoch keine weiteren negativen gesundheitlichen Folgen nach sich zog. Am 31. März 1942 wurden sie und ihr Mann abermals entlassen. Dieses Mal konnten sie in die Schweiz fliehen, wo sie zwar auch für kurze Zeit in einem Lager interniert wurden, aber in der Sicherheit der Eidgenossenschaft das Kriegsende abwarten konnten. Im Januar 1943 zogen sie nach Stein am Rhein, wo bereits Clementines emigrierter Bruder Dr. Nathan Wolf und ihre Schwester Selma Wolf lebten.

Am 24. Dezember 1944 starb dort ihr Ehemann Emil. Schon bald danach war Clementine mittellos und auf stetige Unterstützung von Verwandten und Freunden angewiesen.
Im Juni 1947 konnte sie nach New York zu ihrem Stiefsohn Erich Neu ziehen. Hier lebte sie in bescheidenen Verhältnissen in der Greenvale Avenue im Stadtteil Yonkers. Im September 1951 verließ Clementine Amerika wieder und kehrte – wohl aus Heimweh – in ihren Geburtsort Wangen zurück.

Wegen des erlittenen Freiheitsentzuges, insgesamt 54 Monate und 17 Tage in verschiedenen Nazilagern, erhielt sie von der Bundesrepublik Deutschland Haftentschädigung. Heftiger Gelenkrheumatismus, der sich im Alter immer stärker bemerkbar machte, wurde hingegen nicht als eine Gesundheitsschädigung infolge der langen Haft anerkannt. Am 15. Dezember 1971 starb Clementine. Sie wurde in Kreuzlingen in der Schweiz neben ihrem Ehemann Emil Neu begraben.

 

Levi, Fanny (geb. Bikard)

Fanny und Walter Levi_Foto: Carla Steuer

Fanny u. Walter Levi; Foto: Carla Steuer

Fanny Levi, Mädchenname Bikard, wurde am 3. August 1861 in Schleißheim bei München geboren. Im Jahre

1881 heiratete sie den Offenburger Kaufmann Karl Levi und zog zu ihm in die Hauptstraße 88. Zusammen mit Siegfried Hauser eröffnete Karl Levi ein Modegeschäft, das bald zu einem der ersten Textilhäuser der Stadt aufstieg. Am 19. Juni 1882 brachte Fanny ihren Sohn Walter zur Welt, am 30. Juli 1883 ihren zweiten Sohn Albert und 4 Jahre später ihren dritten Sohn Julius. Am 7. November 1919 verstarb ihr Mann Karl Levi, das Modegeschäft wurde von seinem Kompagnon Hauser weitergeführt.

Im Jahre 1927 zog Fanny mit ihren Söhnen Walter und Julius nach Berlin in die Reichstraße 132 im Ortsteil Westend. Dort bewohnten die drei eine „Fünf-Zimmer-Wohnung“ mit „großen und wertvollen Beständen“, wie das Landesarchiv Berlin auf Anfrage mitteilte. Warum Fanny Levi mit ihren Kindern gerade nach Berlin zog, muss ungeklärt bleiben. Weitere Recherchen ergaben, dass sie 1939 in ein jüdisches Altersheim in der Langenstraße in Lichterfelde-Ost zog. Dort wollte sie ihren Lebensabend verbringen, doch nach nur einjährigem Aufenthalt wurde das Altersheim von der SS beschlagnahmt. Wie alle anderen Bewohner musste Fanny das Heim verlassen. Sie fand in der jüdischen Pension Schmal Unterschlupf, bevor diese ebenfalls von der SS übernommen wurde. Als letzter Wohnsitz von Fanny Levi lässt sich die Meineckstraße 26 in Charlottenburg feststellen. Von dort wurde sie am 19. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und gilt von diesem Zeitpunkt an als verschollen. Ihr Todesdatum wurde nach dem Krieg durch Beschluss des Amtsgerichts Charlottenburg auf den 31. August 1942 festgesetzt.

Jana Schwab
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2017/18

Cohn, Esther

Am 18. September 1926 erblickte Esther Lore Cohn als älteste Tochter von Sylvia und Eduard Cohn in Offenburg das Licht der Welt. „Ein rosa Strampelchen, 6 Pfund 350 gr. schwer, mit hellen, braunen Guckerchen, vielen braunen Härchen, einem Stupsnäslein, einem süßen fein geformten Mündchen, das zur Begrüßung die ersten hellen Schreie hören ließ, ohne sich lang bitten zu lassen…“ So beginnt das Tagebuch für Esther, das Mutter Sylvia gleich nach der Geburt liebevoll für ihre erste Tochter anlegte.

Durch diese Tagebucheinträge, die Mutter Sylvia, aber auch Vater Eduard ausführlich pflegten, sind der heutigen Generation alltägliche, aber auch besondere Begebenheiten aus dem Familienleben und -schicksal der Familie Cohn überliefert worden. Vor allem aber auch dienen diese Einträge oft als wichtige Zeugen der Geschichte der einst großen Jüdischen Gemeinde Offenburgs.

Esther Cohn entstammte aus einer alten Offenburger Kaufmannsfamilie. Die Großeltern waren der aus Unterfranken stammende Weinhändler Eduard Oberbrunner (1860 – 1932) und seine aus Offenburg gebürtige Frau Emma, geb. Kahn (1865 – 1922). Eduard Oberbrunner kam 1884 nach Offenburg und gründete im gleichen Jahr seine Weinhandlung und Branntweinbrennerei. Esthers Mutter Sylvia (geb. 1904) war die jüngste von fünf Töchtern. An ihrem 21. Geburtstag, dem 5. Mai 1925, heiratete Sylvia den Kaufmann Eduard Cohn aus Westpreußen.

Im Jahr darauf wurde Esther Lore geboren. Myriam Ruth (geb. 1929) und Eva Judith (geb. 1931) vervollständigten das Glück der jungen Familie Cohn, das ihnen jedoch nur für kurze Zeit gegönnt war. Denn bereits im zarten Alter von vier Jahren erfolgte der erste tragische Einschnitt in das so gut behütete und liebevoll gepflegte kleine Leben der Esther Cohn, die als Augapfel ihrer Eltern galt.

Ab dem Herbst 1930 musste die kleine Esther mit mehreren schweren Krankheiten kämpfen. Einer Keuchhustenerkrankung folgten Diphterie und Spinale Kinderlähmung und schließlich warf eine doppelseitige Lungenentzündung das Kind erneut zurück auf die Grenze zwischen Leben und Tod. An einem Bein und einem Arm bemerkte man später noch die Folgen der schweren Erkrankung. Esther musste einen orthopädischen Schuh tragen und konnte nicht mehr so frei springen, spielen und sich bewegen.

Im Jahr 1931 musste Esthers Großvater Eduard Oberbrunner mit seinem Geschäft Vergleich anmelden. Eduard Oberbrunner war schon lange leidend, aber sicher hat der Zusammenbruch seines Geschäftes seinen schnellen Tod 1932 mit verursacht.

Nach und nach kehrte wieder Ruhe und Alltag in der Familie ein. In der Zeit von Hitlers Machtergreifung 1933 bis 1938 arbeitete Vater Eduard als Handelsvertreter und war oft unterwegs auf Reisen. Mutter Sylvia versorgte zu Hause die drei Kinder. Die Geschäfte gingen schlecht und schlechter. Sorgen bestimmten den Alltag und das Denken – auch das der Kinder.

Auch in Offenburg wurde am 10. November 1938 die Synagoge zerstört und alle männlichen Juden über 18 Jahre zusammengetrieben, für einen Tag ins Gefängnis eingesperrt und tags darauf ins KZ Dachau deportiert. Darunter befand sich auch Vater Eduard. Esthers Vater war vom 10.11. bis 20.12.1938, also für sechs lange Wochen, in Dachau eingesperrt. Er wurde entlassen, mit der Auflage, dass er binnen sechs Monaten Deutschland zu verlassen habe und nicht über seine Inhaftierung sprechen dürfe. Im Mai 1939 gelang endlich dem Vater die Emigration nach England. Von dort aus versuchte er alles, um seine Familie ebenfalls aus Deutschland heraus zu holen. Mutter Sylvia blieb gar nicht gerne alleine mit den drei Töchtern in Offenburg zurück.

Schließlich konnte sie mit den drei Mädchen am 3.10.1939 nach München in Sicherheit gebracht werden. Esther kam in München in das jüdische Kinderheim Antonienstraße, da der Schulweg von fünf Kilometern täglich mit der Straßenbahn einfach zu beschwerlich war. Zum Eintritt in das Kinderheim wünschte sich Esther von ihrer Mutter ein Tagebuch. Das bekam sie zu Chanukka geschenkt. Im März 1940 reiste Mutter Sylvia mit Eva und Myriam nach Offenburg zurück, da die Gefahr dort vorerst vorüber war. Esther hingegen blieb in München im Antonienheim. Sie sollte es dort besser haben als in Offenburg, wo sie ständig mit der Bahn zur jüdischen Schule nach Freiburg hätte fahren müssen. Eva und Myriam fuhren wieder, wie vor ihrer Münchener Zeit, von Offenburg nach Freiburg zur Schule.

Im Oktober 1940 wurden Sylvia und ihre Töchter Eva und Myriam zusammen mit ca. 6500 jüdischen Menschen aus Baden und der Pfalz nach Gurs in Südfrankreich deportiert, von dort nach Rivesaltes. Mutter Sylvia schickte man über Drancy nach Auschwitz, wo sie am 30.9.1942 ermordet wurde. Eva und Myriam gelang die rettende Flucht in die Schweiz, dank einer Hilfsorganisation. In einem Kinderheim in Ascona blieben sie bis Kriegsende und konnten mit Vater Eduard schließlich in England ein Wiedersehen erleben.

Esther war im Münchener Kinderheim bestens untergebracht. Ihrem Tagebuch widmete Esther ihre ganzen Gedanken, Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte. Des Weiteren beschrieb sie detailliert den Alltag im Kinderheim und ihre Mitbewohner. Esther war sehr oft krank. Doch sie haderte nicht mit ihrem Schicksal. Ihre größte Sorge galt immer nur ihrer Familie und am wenigsten ihrer eigenen Person. Im Dezember 1940 zog sich Esther bei einem Sturz einen Unterschenkelbruch zu. Selbst von dort aus der Klinik kümmerte sie sich um alle anderen. „Inzwischen sind wir nun besternt worden“, so sachlich klang der Eintrag von Esther am 21.10.1941, „…und es ist gar nicht schlimm, im Gegenteil, die Leute sind sehr sehr nett zu uns.“

Im März 1941 machte sie Ihren Abschluss an der Israelitischen Volksschule mit besten Noten. Esther durfte sogar als besondere Auszeichnung für ihre erbrachten Leistungen die Abschlussrede halten. Nachdem Esther die Schule beendet hatte, durfte sie im Kinderheim bleiben und wurde dort zunächst im Kindergarten tätig. Es traf sie sehr, als am 20.11.1941 insgesamt 21 Kinder aus dem Heim deportiert wurden. Das Kinderheim Antonienstraße musste am 11.4.1942 geräumt werden und die Kinder und Jugendlichen mit ihren Erziehern wurden in der Knorrstraße 148 in dem „Judenlager Milbertshofen“ untergebracht.

„Ihr braucht Euch gar keine Sorgen um mich zu machen, denn mir geht‘s prima, ganz bestimmt“, so beendet Esther einen Brief an eine Tante, den sie am 14. April 1942 schrieb. Esther hatte die außergewöhnliche Gabe, jeder noch so aussichtslosen Situation irgendetwas Positives abzugewinnen und dadurch ihre Mitmenschen immer wieder zu motivieren, zu beruhigen und wieder aufzubauen. In der Woche nach dem 2. Juni 1942 wurden das gesamte Kinderheim sowie auch kranke Leute aus der Siedlung zum Abtransport bestimmt. Nur wenige Monate blieb Esther in Milbertshofen. Am 29. Juli 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert. Zwei Jahre später wurde sie mit dem Transport vom 16. Oktober 1944 nach Auschwitz gebracht. Dort endete das Leben einer mutigen und bewundernswerten jungen Frau, die trotz ihres großen Leidens und der grässlichen Lage, in der sie sich befand, eine besondere Einstellung zum Leben hatte.

Isabella Busch
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2007

Levi, Gustav, Flora (geb. Baum) & Walter

Der spätere Offenburger Viehhändler Gustav Julius Levi wurde am 2. März 1886 in Altdorf in Baden geboren, seine Frau Flora, eine geborene Baum, am 20. August 1898 in Nonnenweier bei Lahr. Die beiden heirateten am 26. Mai 1921.

In den Adressbüchern von Offenburg tauchen Flora und Gustav Levi ein erstes Mal am 7.November 1922 auf. Laut Aussage Floras und ihrer Schwester war die Familie gut betucht, da sie schon in den 1930er Jahren ein Automobil besaßen. In der Zellerstraße 6 besaßen die Levis eine 5-Zimmer-Wohnung. Sie hatten ein Hausmädchen.

Bei dem Haus in der Zellerstraße handelte es sich nach 1939 um ein sogenanntes Judenhaus. In derartigen Einrichtungen sollten Juden „konzentriert“ werden, da ihren „arischen“ Mitbürgern von Staats wegen nicht zugemutet werden sollte, mit ihnen unter einem Dach zu leben. Darüber hinaus konnten die Juden durch die Ghettoisierung aus der Gesellschaft ausgegrenzt und besser überwacht werden.

Am 7. November 1925 kam ihr Sohn Walter zur Welt. Den beiden Levis muss recht schnell nach der Machtübertragung an die Nazis klar geworden sein, dass für sie ein weiteres Verbleiben in Deutschland nicht möglich sein würde. Die Geschäfte des Viehhändlers liefen immer schlechter und es war nur eine Frage der Zeit, wann ihnen das Geld ausgehen würde. Tatsächlich musste er zum 1. Januar 1937 sein Geschäft aufgeben, doch gelang es der Familie im März 1938, über Holland in die USA auszuwandern.

In New York, ihrer neuen Heimat, besuchte ihr Sohn die High School und kehrte, während er ab 1944 seinen Wehrdienst unter General Patton als GI ableistete, nach Deutschland zurück.  Vater Gustav Julius brachte die Familie in den USA als Hausierer und Packer mühsam über die Runden, war schließlich ab 1946 nicht mehr arbeitsfähig und verstarb 1948 an einem Nervenleiden. Ob seine Krankheit als Spätfolge der Nazi-Verfolgung anzusehen ist, lässt sich leider nicht mehr ermitteln.

Flora und ihr Sohn beantragten nach dem Krieg Entschädigungszahlungen für den Ausbildungsschaden, den der Sohn erlitten hatte und für die Beschränkung des Betriebes, den der Ehemann geführt hatte. Nur für den letztgenannten Schaden erhielt Flora Levi eine Einmalzahlung. Wann sie gestorben ist, entzieht sich leider unserer Kenntnis. Von ihrem Sohn wissen wir, dass er als internationaler Kaufmann unter anderem in Italien, Japan und Mexico tätig war. Er starb am 15. Juli 2013.

Jana Schwab
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2017/18

Weil, Elsa (geb. Westheimer)

Elsa wurde am 24. August 1882 in Bayreuth als Tochter des Kaufmanns Arnold Westheimer und seiner Frau Hannchen geboren. Sie hatte einen Bruder namens Max. Elsa heiratete den Schmieheimer Kaufmann Louis Weil, der in Offenburg eine Weingroßhandlung betrieb. Das Paar bekam am 13. Juli 1905 mit Sohn Stefan ihr einziges Kind.

Ab 1932 wohnten die Weils in der Straßburgerstraße 3 in Offenburg. Vor Januar 1933 lebte die Familie in wirtschaftlich gesicherten Verhältnissen. Schon kurze Zeit nach der „Machtübernahme“ der Nazis ging es mit der Firma des Ehemanns jedoch stark bergab, da der jüdische Weinhändler in der Kleinstadt Offenburg sehr bekannt war und die antisemitische Propaganda der Nazis ihre Wirkung entfaltete.

Als Louis im Februar 1935 eines natürlichen Todes starb, übernahm Elsa für kurze Zeit selbst den Betrieb, verkaufte die Firma allerdings schon im Herbst desselben Jahres. Auch musste sie sich in Freiburg einer Magenoperation unterziehen, von der sie sich aber schnell erholte. Nach dem Tod ihres Ehemanns und der Aufgabe der Firma hatte Elsa große Geldprobleme, da sich ihr Sohn in der Heil- und Pflegeanstalt Illenau befand und sie für seine Aufenthaltskosten monatlich einen Betrag von 100 Reichsmark zahlen musste. Elsa war also auf finanzielle Unterstützung, welche sie von ihrem Bruder Max bekam, angewiesen.

Im Mai 1939, inzwischen in Finanznot, musste Elsa ihr Grundstück samt Haus verkaufen. Sie bekam dafür lediglich 27 000 Reichsmark, was nicht im Geringsten dem wahren Wert des Grundstücks entsprach.

Am 22. Oktober 1940 wurden Elsa und ihre damals 83-jährige Mutter Hannchen verhaftet und zusammen mit allen badischen Juden in das berüchtigte Camp de Gurs nach Südfrankreich deportiert. Sie mussten ihr ganzes Eigentum zurücklassen, auch durften sie keine Familienangehörige über die Verhaftung informieren. Für den Notfall hatte Elsa rund 5000 Mark in ihrem Handkoffer versteckt. Das Geld wurde jedoch von einem der Nazimänner entdeckt, der es ihnen mit dem Kommentar: „Ihr Saujuden stinkt ja vor Geld“ abnahm.

1941 wurde Elsa von Gurs in ein weiteres Pyrenäenlager, nach Récébédou, gebracht. Im selben Jahr am 27. Mai töteten die Nazis ihren Sohn Stefan im polnischen Ghetto Cholm, wohin er von der Illenau transportiert worden war. Elsa hingegen wurde von Récébédou 1942 in das Camp de Noé in der Nähe von Toulouse im Département Haute-Garonne gebracht, wo sie sich bis zum Jahre 1943 befand. Dort starb ihre alte Mutter. Während der Lagerhaft brach bei Elsa durch die schlechte Ernährung und die menschenunwürdige Unterbringung das alte Magenleiden wieder auf. Deshalb wurde sie in ein Hospiz in St. Rambert sur Loire und von da in das Hotel Terminus in Béziers überstellt, wo sie das Kriegsende erlebte. Bis zu ihrem Tod war Elsa durch Verfolgung und Haft traumatisiert und hatte neben ihrem Magenleiden Depressionen und andere psychische Störungen.

1946 wanderte sie in die USA zu ihrem Bruder Max aus, der in seiner neuen Heimat seinen Namen von „Westheimer“ in „West“ verkürzt hatte. Er beschrieb seine Schwester, als er sie nach Jahren wiedersah, als „körperlich und seelisch gebrochene, abgemagerte und abgehärmte Frau“.

Seit den frühen 1950er Jahren versuchte Elsa für die lange Haftzeit und für ihr verlorenes Vermögen von der Bundesrepublik Deutschland eine Entschädigung zu bekommen. Schließlich erhielt sie eine kleine Rente und mehrere Einmalzahlungen, allerdings keine Wiedergutmachung für die von den Nazis ruinierte Firma ihres Mannes.

Chiara Merkel
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2017/18

Bloch, Hans/Henry

Hans Bloch wurde am 01.07.1917 in Mannheim geboren. Seine Eltern waren Isidor Bloch (1878-1966) und Elsa Franziska Bloch, geborene Hirsch (1890-1971).  

Ab dem 20.01.1919 war die Familie in Offenburg gemeldet, wo sie in der Friedrichsstraße 7 wohnte und 1928 in die Augustastraße 3 umzog. Im Jahre 1920 wurde Hans´ Bruder Werner Bloch geboren. Hans besuchte ab dem 10.04.1923 die Volksschule und trat am 02.05.1927 in die Oberrealschule in Offenburg (heutiges Schillergymnasium) ein, die er am 08.04.1933 mit der Beendigung der Untersekunda verließ. Eigentlich wollte Hans später studieren, wäre aber als Jude nicht an der Universität zugelassen worden, weshalb er auch die Schule nicht weiterbesuchte. Stattdessen wurde er Lehrling in der Essig- und Weinfabrik seines Vaters und besuchte gleichzeitig die Handelschule vom 02.05.1933-21.03.1935, an welcher er am 19.06.1935 die kaufmännische Gehilfenprüfung absolvierte. Sein Bruder erinnerte sich später daran, dass Hans im Jahre 1935 für eine Woche ins Gefängnis musste, weil er sich mit einem nicht-jüdischen Mädchen verabredet hatte. Im gleichen Jahr musste ihr Vater Isidor seine Essigfabrik aufgeben und somit musste auch Hans seine praktische Ausbildung in der Fabrik abbrechen. Die Gründe hierfür waren die antijüdischen Regelungen der Nationalsozialisten, die das Leben der Juden auf drastische Weise einschränkten. Um weiterhin das Einkommen und damit die Versorgung der Familie zu sichern, eröffnete Hans´ Mutter Elsa Bloch am 15.07.1936 das jüdische „Café Restaurant Bloch“ in einem Teil ihrer Wohnung. Außerdem diente dieses Café als Treffpunkt für viele jüdische Offenburger, denen der Zutritt zu nichtjüdischen Gaststätten verboten war.

In einem Brief der Mutter an Verwandte in Amerika schilderte sie 1935 die derzeitige Situation ihrer Söhne und die zwingende Notwendigkeit einer Auswanderung in die USA, um dort eine „Verwendung für ihre Fähigkeiten“ zu haben. Darin beschrieb sie ihre Söhne als fleißig, gesund und aufrichtig. Die Familie entschied sich für eine Auswanderung nach Pittsburgh, da dort Verwandte lebten.

Hans und Werner Bloch wanderten am 19.07.1936 in die USA aus. Sie fuhren zuerst nach Paris, von wo aus ihr Onkel sie nach Cherbourg brachte und sie von dort mit dem Schiff nach New York reisten. Dort kamen sie schließlich am 07.09.1936 an. Von dort reisten sie dann weiter nach Pittsburgh zu ihren Verwandten. Ihre Eltern wanderten erst knapp ein Jahr später in die USA aus, da sie noch Schulden wegen der früheren Essigfabrik hatten und erst noch eine Auswanderungsgenehmigung benötigten. Für die Begleichung der Schulden kamen Verwandte auf und so konnten schließlich auch Isidor und Elsa Bloch im April 1937 nach Pittsburgh auswandern.

Hans wechselte mit dem Erhalt der amerikanischen Staatsbürgerschaft seinen Namen zu Henry, um sich so schneller in der neuen Heimat integrieren und einfinden zu können. Auch sein Bruder Werner nannte sich ab jetzt Warren. In einem Brief kurz nach der Ankunft schrieb Henry, dass sie sehr zufrieden in Amerika seien und sich über nichts zu beklagen hätten. Anhand des Briefwechsels merkt man aber auch, dass es schwer war, sich in einem neuen Heimatland zurechtzufinden und eine neue Existenz aufbauen zu müssen.

Henry besuchte in Amerika etwa ein halbes Jahr eine Schule und begann dann, als Verkäufer zu arbeiten, um so auch seine Eltern finanziell unterstützen zu können. 

Henry war in der Zeit des Zweiten Weltkrieges mehrere Jahre beim Militär tätig und am Panamakanal stationiert. Während der Zeit beim Militär heiratete Henry am 01.01.  1942 seine Frau Gerda Rose, welche auch aus Deutschland kam und Jüdin war.  Durch einen Transport jüdischer Kinder war sie mit 15 Jahren in die USA gelangt. Der Rest der Familie von Gerda Rose Bloch wanderte nach Palästina aus.

Henry und Gerda Rose hielten ihre Hochzeit für eine Weile geheim, da Gerda Rose zu dieser Zeit noch zur Schule ging und sonst von der Schule geflogen wäre. Aus der Ehe gingen zwei Kinder hervor. Das erste Kind, Carol, wurde 1949 geboren und das zweite Kind, Garry, kam 1953 auf die Welt.  

Klara Panther
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2012/13