Schnurmann, Siegfried

Foto: Stadtarchiv OffenburgSiegfried Schnurmann wurde am 3. August 1907 in Offenburg geboren. Seine Eltern hießen Elias und Rosa Schnurmann (geborene Valfer) und besaßen das Schuhgeschäft Valfer in der Hauptstraße 73. Beide wurden 1943 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Ihnen wurden Stolpersteine gesetzt, die an sie erinnern. Siegfried Schnurmann hatte zwei Schwestern namens Elsa und Berta. Er besuchte die Grundschule, die Oberrealschule und die höhere Handelsschule in Offenburg und machte eine kaufmännische Ausbildung.
 
Innerhalb der Jüdischen Gemeinde betätigte sich Siegfried Schnurmann als Jugendleiter, Wanderführer und Chorleiter. Als Organist begleitete er die Gottesdienste in der Offenburger Synagoge. Von 1924 bis 1933 war er ein aktives Mitglied des „Reichsbanners Schwarzrotgold“, einer Organisation, deren Ziel die Verteidigung der deutschen Demokratie war.
 
1928 trat Schnurmann den „Naturfreunden“ bei. Als diese von den Nationalsozialisten verboten und ihre Häuser beschlagnahmt wurden, mietete er in Seebach im Obergeschoss eines Wohnhauses vier Räume an und richtete sie als Jugendherberge ein. Inzwischen hatten sich in ganz Deutschland zionistische Gruppen gebildet, in denen Jugendliche sich auf die Auswanderung nach Palästina vorbereiteten. Siegfried Schnurmann betreute eine dieser Gruppen in Diersburg. Als diese Mitte der 30er Jahre von der Gestapo drangsaliert wurde, quartierte Schnurmann die Jugendlichen in seiner Jugendherberge in Seebach ein. Dort wurde die Gruppe schließlich von der Gestapo entdeckt und verhaftet. Auch Siegfried Schnurmann wurde verhaftet, kam aber überraschend wieder frei. Es gelang, für die inhaftierten Jugendlichen Ausreisevisa zu beschaffen, sodass alle Mitglieder dieser Gruppe nach Palästina ausreisen konnten.

1936 leitete Siegfried Schnurmann eine andere zionistische Gruppe, mit der er, nach weiteren Verhaftungen, 1937 zu landwirtschaftlichen Arbeiten nach Schweden ausreiste. Um die Arbeitserlaubnis zu bekommen, hatte er sich als Landwirt ausgegeben. Nachdem die schwedische Aufenthaltserlaubnis abgelaufen war, überführte Siegfried Schnurmann seine Gruppe 1938 nach Dänemark. Ein reger Briefwechsel ist aus dieser Zeit erhalten. Mindestens einmal wöchentlich schrieb er und bekam einen Brief von seinen Eltern mit den neuesten Informationen. Im Oktober 1938 fuhr Siegfried Schnurmann zum 70. Geburtstag seines Vaters nach Deutschland. In einem Interview mit Herrn Dr. Martin Ruch berichtet er rückblickend über die Zugreise: “Als die Passkontrolle vorne einstieg, stieg ich hinten aus und stieg vorne wieder ein.“
 
Siegfrieds Mutter war überaus verwundert, dass ihr Sohn plötzlich von Offenburg aus anrief. Der Vater war sehr erfreut, ihn zu sehen. Bei diesem Besuch in Offenburg, kurz vor der Reichspogromnacht, leitete Siegfried Schnurmann zum letzten Mal den jüdischen Chor, von dem nur noch 10 Sänger übrig waren. Nach den Feierlichkeiten kehrte er nach Dänemark zurück. Als dann Dänemark 1940 von den Nazis besetzt wurde, flüchtete Siegfried Schnurmann wieder nach Schweden. 1945 wanderte er nach Israel aus und lebte in einem Kibbuz, den er während des Israelischen Unabhängigkeitskrieges verteidigte.
 
1951 zog Siegfried Schnurmann aus persönlichen Gründen wieder nach Deutschland. Schon in den ersten Tagen besuchte er dort einen katholischen Freund. Über dieses Erlebnis erzählte er: „Mein Freund wollte, da ich Jude war, das Jesusbild abhängen. Doch ich sagte, Jesus habe uns Juden nichts getan, sondern die Christen.“
 
Bei der Offenburger Milchzentrale wurde er zum Chemischen Milch- und Fettprüfer umgeschult. Ehrenamtlich kümmerte er sich um jüdische Überlebende aus den KZs. Seine Mitgliedschaft bei den „Naturfreunden“ nahm Schnurmann wieder auf und engagierte sich viele Jahre lang für den Verein. 1992 wurde er Ehrenmitglied.
 
Siegfried Schnurmann betreute, zunächst ehrenamtlich, die kleine jüdische Gemeinde Freiburg. 1962 erhielt er dort als Sekretär der Gemeinde Freiburg eine feste Anstellung. Er hatte vor allem ein Herz für Kinder; so war sein Ziel Jugendarbeit in der Gemeinde.
 
Das Museum verdankt Siegfried Schnurmann seine Judaica-Abteilung. Dort kann man hören, wie er jüdische Lieder mit Klavierbegleitung singt. Er starb schließlich im Frühjahr 2005.

 
Robert Cieslik
Gedenkbuch Salmen (Offenburg), 2005

Haberer, Gustav & Ruth (geb. Strauss)

Foto: Staatsarchiv FreiburgRuth Haberer wurde am 22. März 1909 in Bergen-Enkheim geboren. Die Tochter von Julius Strauss, dem Inhaber eines Manufakturgeschäfts, und seiner Frau Tilla wuchs wohlbehütet auf. Nach der Heirat am 18. Juli 1929 in ihrem Geburtsort mit Gustav Haberer, einem 1897 in Friesenheim geborenen Handelsvertreter, zog das junge Paar im selben Jahr noch nach Offenburg. Zunächst wohnten sie in der  Ortenbergerstraße 28. Ruth gebar zwei Kinder: im Dezember 1932 Renate Bertha und im November 1937 ihre zweite Tochter Ellen Elisabeth.
 
Am 1. April 1938 musste die Familie in die Zellerstraße 8 umziehen, in eines der sogenannten Judenhäuser Offenburgs. Nach der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November wurde Gustav Haberer im KZ Dachau inhaftiert, wo ihn die Aufseher so misshandelten, dass er nach kurzer Zeit nach Hause zurückkehren durfte.
 
Foto: Staatsarchiv FreiburgAm 22. Oktober 1940 wurde Ruth mit ihrer Familie nach Gurs deportiert. Dort mussten sie bis März 1941 bleiben und kamen anschließend bis Ende 1942 ins Lager Rivesaltes. Danach wurden sie erneut bis Februar 1943 in Gurs gefangen gehalten. Bereits während des ersten Gurs-Aufenthalts gelang es den Eheleuten Haberer, über die Hilfsorganisation OSE ihre beiden Töchter aus dem Lager zu bekommen und in Kinderheimen unterzubringen, wenn auch zunächst in unterschiedlichen Heimen. Während seiner Inhafterung setzte sich Gustav Haberer unermüdlich für bessere Lebensbedingungen im Lager ein. So wurde die Resistance, die französische Widerstandsbewegung, auf ihn aufmerksam und forderte ihn zur Mitarbeit auf. So half er z.B., politische Häftlinge in großen Suppentöpfen aus dem Lager zu schmuggeln. Dank seiner Mitarbeit erhielt Gustav Haberer den Tipp, dass seine Deportation und die seiner Frau nach Auschwitz bevorstehen würde. Es gelang den beiden, aus Gurs zu entkommen und im Château du Begué, einer Art Auffanglager für geflüchtete Juden, unterzutauchen. Im Schloss herrschte relative Freiheit, da es nicht unter der Aufsicht der SS oder der Gestapo stand. So konnten Arbeitswillige bei den Bauern in der Umgebung in der Landwirtschaft helfen. Diese Chance nutzte  Gustav Haberer. Als aber klar wurde, dass es auch vom Schloss aus Deportationen in die Konzentrationslager im Osten geben würde, beschloss das Ehepaar Ende 1944 unterzutauchen. Unter unmenschlichen Bedingungen gelang es ihnen, in den Wäldern der Umgebung bis zur Ankunft der Alliierten zu überleben.
 
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs kehrten auch die Kinder Renate und Ellen zur Familie in Frankreich zurück. 1946 entschlossen sich die Haberers zur Auswanderung in die USA und ließen sich in Chicago nieder. Ellen besuchte die West Philadelphia School und begann eine Ausbildung zur Sekretärin. Schließlich erhielt sie eine Anstellung in der Hospizverwaltung von Berekley. Am 27. Dezember 1947 heiratete sie in Illinois, gab ihren Beruf auf und wurde Mutter und Hausfrau.
 
Bis zu ihrem Tod am 8. Juni 1952 lebte Ruth Haberer mit ihrem Mann Gustav in Chicago, der ebenfalls dort im Jahr 1960 verstarb.

 
Helena Bahr
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2014/15

Bloch, Sigmund

Foto: Staatsarchiv FreiburgSigmund Bloch wurde am 2. Juni 1878 in Schmieheim als zweiter Sohn von Gustav Bloch geboren.
Nachdem Sigmund seine Frau Selma Bloch, geb. Guggendorf, geheiratet hatte, lebten sie einige Jahre in Haslach. Sie hatten drei Kinder: Gustav, Ludwig (1906) und Paula (1910). Gemeinsam wohnten sie in der Sägerstraße, in der auch die Synagoge stand. 1913 zog die Familie in die Feuergasse Nr. 3 in Gengenbach. Sigmund arbeitete als Viehhändler im Amtsbezirk Wolfach.

Nach dem Ersten Weltkrieg, in dem auch Sigmund einberufen war, war das Geld sehr knapp, weshalb er 1922 ein Gesuch um Erweiterung seiner Viehhandelserlaubnis einreichte. Dieses wurde abgelehnt. Allerdings erhielt er 1924 die Erlaubnis, mit Fellen zu handeln.

Seine Kinder besuchten die Gengenbacher Schule und Paula schloss 1929 ihr Examen zur Säuglingspflegerin ab.

Aus vielen Zeitzeugenberichten ist erkenntlich, dass die Gengenbacher Juden im Ort sehr geschätzt waren. Deswegen wurde ihnen ein Saal im alten Kaufhaus am Marktplatz als Betsaal zur Verfügung gestellt.

Nachdem Adolf Hitler 1933 zum Reichskanzler ernannt worden war, wurde das Leben für Juden immer schwieriger. Aus Sicht der Nationalsozialisten sollte auch den Gengenbacher Juden der Viehhandel verboten werden, was die Stadt Gengenbach allerdings nicht als notwendig ansah.
 
Als Selma schwer krank wurde, pflegte ihre Tochter Paula sie zu Hause. Am 10. November 1937 erlag sie ihrer Krankheit.

In der Reichspogromnacht, vom 9. auf den 10. November 1938, wurde die Gengenbacher Synagoge öffentlich verwüstest und die Thora-Rollen verbrannt. Sigmund wurde wie alle anderen männlichen Juden über 16 Jahren in „Schutzhaft“ genommen. Er wurde mit dem Zug nach Offenburg und dann ins Konzentrationslager Dachau gebracht. Nach 12 Tagen durfte er wieder nach Hause zurückkehren.
In diesem Jahr emigrierte Gustav in die USA. Paula wanderte zunächst  nach England aus, bevor auch sie in die USA ausreiste. Ihr Bruder Ludwig zog nach Bollweiler im Elsass und gründete dort eine Familie.

Laut Einwohnermeldekartei der Stadt Offenburg zog Sigmund Anfang Dezember 1938 nach Offenburg in die Blumenstraße Nr. 3 und von dort aus im September nach Halle (Saale). Sein Grundeigentum und sein Haus in Gengenbach musste er 1939 verkaufen.
 
Im Mai 1942 wurde Simon in das Konzentrationslager Sobibor deportiert und am 31.12.1945 für tot erklärt. Sein Sohn Ludwig wurde bei seiner Flucht nach Österreich festgenommen und starb 1940 im Konzentrationslager Flossenbürg. Dessen beide Kinder Claude und Micheline überlebten den Krieg in Frankreich. Heute leben sie in Israel. Barry Bloch, ein weiteres Enkelkind, lebt in St. Louis in den USA.

Um Sigmund Bloch zu gedenken, erhielt er, wie auch die anderen Offenburger Opfer der NS-Zeit, vor seinem letzten Wohnhaus in Offenburg in der Phillip-Reis-Straße Nr. 3 (früher Blumenstraße) einen Stolperstein.

 
Mara Strauch
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2013/2014

Geismar, Siegfried

Foto: Staatsarchiv FreiburgSiegfried Geismar wurde am 12. Januar 1879 in Breisach am Rhein geboren und lebte ab 1907 in Offenburg. Verheiratet war er seit Februar 1908 mit Judith Beck. Das Paar hatte vier Kinder, die drei Töchter Alice Erna, Hedwig, Bella Margarette und den einzigen Sohn Norbert.
Ab 1922 betrieb Siegfried, gelernter Metzger, ein eigenes Geschäft in der Kreuzkirchstraße. Obwohl in religiöser Hinsicht eher traditionell – die Familie aß zuhause koscher – verkaufte Siegfried Geismar im Geschäft jedoch sowohl koschere als auch nicht koschere Produkte. Und auch den Sabbat konnte die Familie nicht einhalten, weil sie auf den an diesem Tag erzielten Umsatz angewiesen war. So blieb das Geschäft des Vaters auf der Kreuzkirchstraße auch samstags geöffnet. Bevor es von den Nazis verboten wurde, hatte Siegfried Geismar auch nichtjüdische Angestellte und zuhause gab es eine Haushaltshilfe. Nach dem Verbot halfen der Sohn und die beiden Töchter des Metzgermeisters deshalb im Geschäft mit, da ihnen der Schulbesuch zu dieser Zeit schon verweigert wurde.

Offenbar waren viele Offenburger trotz der Propaganda gegenüber Juden liberal eingestellt. Hedwig Geismar berichtet davon, dass es viele Menschen gab, die versuchten, die Juden in Offenburg zu unterstützen. Dies scheiterte, als mehr Druck von „oben“ kam, wie ein Beamter ihrem Vater verriet, als er ihm mitteilen musste, dass er in Zukunft nicht mehr in Geismars Laden einkaufen könnte. Der Boykott gegen jüdische Geschäfte am 1. April 1933 hatte auch das Geschäft der Familie Geismar nicht ausgelassen, so verweigerten SA-Leute den Eintritt in die jüdische Metzgerei.

Am 30.4.1939 wurde das Gesetz über „Mietverhältnisse der Juden“ erlassen.
Juden durften sich nun nicht mehr auf den Mieterschutz berufen, und so konnten ihnen Mietverträge schneller gekündigt werden. Die Familie Geismar musste in ein so genanntes „Judenhaus“ in der Gaswerkstraße 17 umziehen, dort lebte sie zusammen mit den Familien Grombacher, Hammel und Lion zusammengedrängt auf engstem Raum.

Im Mai 1938 musste Siegfried Geismar sein Geschäft schließen, da es immer weniger Kundschaft gab und die laufenden Kosten zu hoch wurden. Die Familie Geismar war nun gezwungen von ihren Ersparnissen leben. Als Grund der Schließung der Metzgerei wurden Schulden bei der Stadtkasse angegeben. Zu dieser Zeit hatten Sohn Norbert und Tochter Bella Margarette Deutschland bereits verlassen und waren nach England und Palästina ausgewandert. Als am 22.Oktober 1940 die Juden Badens nach Gurs deportiert wurden, mussten dieses grausame Schicksal auch Siegfried, Judith und ihre Tochter Alice teilen. Alice Reutlinger und ihr Mann schafften es von dort über die Schweiz nach Nordamerika zu fliehen.

Siegfried wurde über Récébédou, Noé und Drancy am 4. März 1943 nach Majdanek deportiert und nach dem Krieg für tot erklärt, da sein genaues Todesdatum unbekannt blieb. Aus einem Entschädigungsbescheid vom 9. September 1959 geht jedoch hervor, dass Siegfried wahrscheinlich schon kurz nach seiner Ankunft in Majdanek starb. Nach dem Krieg klagte die Familie auf Kapitalentschädigung und auf Freiheitsentziehung und erhielt 5500 DM für die 37 Monate, die Siegfried in Konzentrationslagern saß.
Seine Ehefrau Judith wurde nach ihrer Lagerhaft in Récébédou und Noé am 17. August 1943 nach Lons-le-Saunier entlassen, Im Jahr 1946 konnte sie zu ihrer Tochter Hedwig nach Amerika auswandern, wo sie zwei Jahre später, am 12. August 1948, starb.

 
Tatjana Belender
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2014/15

Hammel, Hedwig

Foto: Staatsarchiv FreiburgHedy wurde am 22.2.1924 in Neufreistadt geboren. Ihre Eltern Julius Hammel, geb. 19.6.1888 und Irma Hammel, geb.5.4.1901 heirateten am 17.5.1923 in Baden Baden und zogen 1924 in die Gaswerkstr.17 nach Offenburg. Am 10.9.1925 wurde Hedys Schwester Ingeborg geboren.
 
1930 bis 1936 ging Hedy auf eine öffentliche Schule, bis sie auf dem Schulweg von Jugendlichen wegen ihres jüdischen Glaubens  zusammengeschlagen wurde. Ihre Eltern versuchten, Hedwig auf eine Privatschule ins Ausland zu schicken. Dies war aber nicht möglich,  obwohl die Eltern  zahlungsfähig waren.
 
 Am 30.4.1938 ging Hedy für 2 Monate nach Konstanz. Das dortige Archiv nimmt an, dass sie eine Johanna Hammel besucht hat. 1938 lernte sie in einem jüdischen Krankenhaus in München Kinderkrankenschwester.
Wieder zurück in Offenburg wurde sie 1940 mit den anderen Juden erst in eine Turnhalle getrieben und anschließend in einen Zugwagon, in dem sie 3 Tage ohne Essen und nur wenig Trinken unterwegs nach Gurs waren. Dort wurden die Juden in sehr unhygienischen Baracken untergebracht. Sie schliefen auf Strohsäcken und es gab wenig zu essen, viele Menschen verhungerten. Da Männer und Frauen getrennt waren, sah Hedy ihren Vater sehr selten. Die Frauen bekamen Spritzen, um die Menstruation zu stoppen.
 
Im Lager arbeitete Hedy als Krankenschwester und lernte Emmy Rosenfeld kennen. Als Hedy an Gelbsucht erkrankte, pflegte Emmy sie und rettete ihr so das Leben. Später wurden Hedy und ihre Familie nach Rivesaltes, auch in den Pyrenäen gelegen, deportiert. Dort wurde ihre Schwester Ingeborg von der Familie Dreifuss adoptiert. Durch ihre Vermittlung wurde Hedy als Haushaltshilfe für die  Familie engagiert. Sie durften das Camp unter der Bedingung verlassen,  jederzeit wieder zurückzukehren, falls sie dazu aufgefordert würden. So verließen Hedy und ihre Schwester das Camp am 1. Mai 1942.
 
Später arbeitete Hedy für Dr. Cazzel, der ihre gesundheitlichen Schäden behandelte. Am 13. September 1942 wurden Hedys Eltern mit 620 weiteren Juden von Rivesaltes nach Auschwitz deportiert. Wie sich später herausstellte, überlebten nur 13 Männer.
 
Auch Hedy und ihre Schwester wurden aufgefordert, zurückzukehren, doch die beiden versteckten sich und sprangen auf der Flucht vor den Soldaten auf einen fahrenden Zug auf. Im Zug, der in Richtung Schweiz fuhr, wurden sie von den Angestellten weiter versteckt. Sie gelangten nach Annecy in Frankreich. Dort blieb Inge bis Kriegsende bei den Paccaras, einer reichen Familie. Hedy war bei der Familie Perot untergebracht. Dort arbeitete sie als Haushälterin. Die Familien wollten, dass die Schwestern sich taufen lassen, doch die beiden wollten ihren jüdischen Wurzeln treu bleiben. Als die Alliierten das Gebiet einnahmen, ließ Hedy sich registrieren und so fand ihr Cousin sie und bewirkte, dass Hedy und Ingeborg nach Paris fliehen konnten. Dort arbeitete Hedy wieder als Haushaltshilfe.
 
Hedy reiste nach Offenburg, um zu sehen, ob ihre Eltern noch am Leben waren und suchte nach Wertsachen. Doch sie fand weder ein Lebenszeichen ihrer Eltern noch Wertsachen der Familie. Da sie auch  keine Zukunft in Frankreich sah, entschlossen sich Hedy und Inge, in die USA auszuwandern. Sie fuhren mit dem Dampfschiff nach Texas.
 
1946 fuhren sie mit dem Zug von Galreston nach New York. Dort heiratete Hedy Kurt Kahn und bekam ihre erste bezahlte Stelle als Näherin.
 
 
Maylien Ruck
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2007/08

Adler, Sophie (geb. Rothschild)

Foto: Staatsarchiv FreiburgSophie Adler wurde am 28.01.1874 in Oehringen als Sophie Rothschild geboren. Sie war das dritte Kind und die erste Tochter von Felix Rothschild (Kaufmann, geb. 1836 in Krautheim) und seiner Frau Mina Rothschild (geborene Mair/Mayer, 1844 in Heilbronn). Sophie Adler hatte mehrere Brüder und eine kleine Schwester namens Bertha.

Auch wenn keine Schulakte vorliegt, wird vom Archiv in Oehringen angenommen, dass sie die örtliche Grundschule, die Schillerschule, besuchte. Über den Besuch einer höheren Schule liegen ebenfalls keine Akten vor. Da es jedoch unüblich war, dass Frauen zu dieser Zeit  eine weiterführende Schule besuchten, liegt die Vermutung nahe, dass nach der Grundschule ihre Schulausbildung beendet war. Sophie hatte keine Berufsausbildung und war offiziell Hausfrau.  Am 05.07.1897 heiratete sie Jakob Adler in ihrem Geburtsort Oehringen und zog bald darauf mit ihm in die Grabenallee 16 nach Offenburg.  Dort kümmerte sie sich um den Verkauf im Manufakturwarenladen ihres Mannes in den vier Tagen der Woche, in denen er auf Reisen war.

Von ihren Nachbarn wurde sie liebevoll Tante Sophie genannt und sie wurde nicht nur als freundliche Nachbarin, sondern auch als Freundin angesehen. Gemeinsam mit ihrem Mann hatte sie zwei Kinder:
Max Adler wurde am 23.08.1898 in Offenburg geboren. Nachdem er das Einjährige (vergleichbar mit dem heutigen Realschulabschluss) am 31.07.1914 abgelegt hatte, machte er eine Lehre in Frankfurt a. M., bis er 1916 zum Militärdienst berufen wurde. 1918 wurde Max Adler vor Verdun verwundet und kehrte nach Offenburg zurück. 1933 wanderte er nach Paris aus, da er die Gefahr, in der er in Deutschland lebte,  erkannt hatte. In Paris heiratete er eine Frau, die wie seine Mutter Sophie hieß und bekam mit ihr ein Kind.

1957 begann er als alleiniger Erbe mit seinem Rechtsanwalt für eine Wiedergutmachung vom Deutschen Staat zu kämpfen. Nach langem Briefwechsel und Uneinigkeiten mit dem zuständigen Gericht in Karlsruhe bekam Max Adler 1962 schließlich DM 2280,- überwiesen. Dies beinhaltete die Entschädigung wegen Schadens an beruflichem Fortkommens von DM 1788,-, sowie den Freiheitsschaden seiner Eltern.

Seine Schwester Ida Adler wurde am 03.10.1901 ebenfalls in Offenburg geboren. Auch sie hatte eine höhere Schulausbildung bis zum Einjährigen. Sie zog am 20.12.1936 nach Frankfurt a. M., kehrte am 27.10.1937 jedoch wieder nach Offenburg in die Grabenallee zu ihren Eltern zurück. Sie blieb ledig und hatte keine Kinder.

Sophie und Ida  Adler wurden, wie alle badischen Juden, am 22.10.1940 nach Gurs, einem Internierungslager am Fuße der Pyrenäen deportiert. Am 08.08.1942 wurden sie in das Sammellager Drancy gebracht. Vier Tage später wurde Sophie Adler nach Auschwitz gebracht. Vermutlich ist sie dort nach wenigen Monaten im Alter von 69 Jahren verstorben. Ida Adler wurde ebenfalls in Auschwitz ermordet.
 

Helena Bahr
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2013/2014

Bergheimer, Sigmund

Foto: Staatsarchiv FreiburgSigmund Bergheimer wurde am 27.1.1881 in Offenburg geboren. Er besaß die badische Staatsbürgerschaft. Von Beruf war er Viehhändler und führte zusammen mit seinem Bruder Emil ein eigenes Handelsgeschäft mit Nutz- und Schlachtvieh in der Gymnasiumstraße. Am 30.8.1911 heiratete er Charlotte Brunschweig. Im Juli 1912 kam ihre Tochter Sophie zur Welt. In den Anfangsjahren des ersten Weltkrieges wurden seine zwei weiteren Kinder Manfred Marx am1.10.1914 und Margot Carola am 12.11.1915 geboren.
 
Als Soldat verlor Sigmund einen Arm und bezog deshalb Kriegsbeschädigtenrente. Trotz seiner Versehrtheit wurde er weiter als Reservist eingesetzt. 1934 erhielten alle Kriegsteilnehmer des Ersten Weltkriegs unabhängig von ihrer Konfession das Ehrenkreuz durch Reichspräsident Hindenburg. Durch diese Auszeichnung glaubten sich die jüdischen Soldaten vor einer Verfolgung sicher. Aufgrund der Weltwirtschaftskrise von 1929 wirtschaftlich bereits stark geschwächt, mussten die beiden Bodenheimers infolge der nationalsozialistischen Boykottmaßnahmen 1934 ihr Geschäft endgültig aufgeben. Der Betrieb wurde im Handelsregister gelöscht. Dennoch belieferte man noch ein Jahr lang Offenburger Metzger mit Vieh. Eine 1935 erlassene Verordnung schloss die ehemaligen jüdischen Händler, so auch Sigmund Bergheimer, aber endgültig vom Marktgeschehen aus.
 
Am 22.10.1940 erfolgte seine Deportation nach Gurs, danach nach Noe. Von dort aus wurden die jüdischen Gefangenen am 28.2.1943 weiter ins Sammellager Drancy bei Paris gekarrt. Im März 1943 wurde Sigmund Bergheimer schließlich in das Konzentrationslager Majdanek in der Stadt Lublin, welche im heutigen Polen liegt, deportiert. Das Vernichtungslager Majdanek diente zugleich als Wirtschaftsbetrieb der SS. Die Juden wurden entweder im Textilwerk zur Anfertigung von Bekleidung oder auf der Baustelle des nahegelegenen Flugplatzes eingesetzt. Unter dem vielsagenden abscheulichen Decknamen: „Aktion Erntefest“ sind dort die 1943 noch lebenden Juden durch Massenerschießungen getötet worden. Unter den vielen Getöteten ist auch Sigmund Bergheimer zu finden. Sein Tod wurde vom Amtsgericht Offenburg auf den 8.5.1945 datiert, den Tag der deutschen Kapitulation. Auch die Ehefrau und die gemeinsamen Kinder von Sigmund Bergheimer kamen, mit Ausnahme von Tochter Sophie, im KZ um.

 
Fynn Schmid
Gedenkbuch im Salmen (offenburg), 2018/19

Hammel, Mina (geb. Bloch)

Foto: Staataarchiv FreiburgMina Hammel wurde am 12.7.1883 in Efringen-Kirchen als eines von insgesamt elf Kindern des Ehepaars Moses und Rosalie Bloch geboren. Ihr Vater war ein angesehener Handelsmann und Mitglied im Synagogenrat. Über ihre frühe Kindheit ist nichts bekannt.

Am 26.7.1908 heiratete sie  Simon Hammel, der damals als Viehhändler tätig war. Die Familie wohnte anfangs in Neufreistett, wo Simon von Geburt an lebte und wo ihre erste Tochter Gertrud am 16.3.1909 zur Welt kam. Ihre zweite Tochter Liselotte Nanette wurde am 1.1.1919 in Baden-Baden geboren. Zwischenzeitlich wohnte die Familie in Renchen, wo Simon Hammel seinen Viehhandel betrieb. Am 30.3.1928 siedelte die Familie nach Offenburg über, in die Hermannstraße. 20. Dreieinhalb Jahre später zog sie in eine Vierzimmerwohnung in der Sofienstraße 3, in die Nähe des heutigen Schillergymnasiums. Für eine gewisse Zeit lebte Mina alleine mit ihrer Tochter Gertrud in Offenburg, da ihr Ehemann zu ihrer schwangeren Tochter Liselotte nach München zog, um die Unverheiratete dort zu unterstützen. Nach der Geburt seines Enkelkindes Judis am 2.2.1940 kehrte er zu seiner Frau nach Offenburg zurück.

Kurz darauf, am 22.10.1940, wurden Mina und Simon Hammel zusammen mit circa 6500 anderen Juden aus ganz Baden nach Gurs, Südfrankreich deportiert. Nachdem ihr Ehemann in diesem Lager verstorben war, wurde Mina am 15.03.1942 in das Lager von Rivesaltes, welches ebenfalls in Südfrankreich liegt, verlegt. Von dort wurde sie entlassen und lebte fortan illegal in Frankreich. Welche Tätigkeiten Mina in den nächsten vier Jahren verfolgte und auch ihr(e)  Wohnort/(e) müssen im Dunkeln der Geschichte bleiben,  jedoch ist bekannt, dass sie „verdeckt“ leben musste. Am 6.7.1946 reiste Mina nach New York zu ihrer bereits im Jahre 1938 ausgewanderten Tochter Gertrud und deren Ehemann Paul Löwenthal. Die Drei lebten zusammen in Manhattan in der 508 West 166th Street von Gertruds Lohn, die in einer Fabrik arbeitete. Über die Einkünfte von Paul Löwenthal ist nichts bekannt. Von New York aus stellte Mina Hammel einen Antrag auf Wiedergutmachung für ihre von den Nazis ermordete Tochter Liselotte Nanette, die mit der Enkelin Judis ins Lager Izbica, Polen deportiert worden war und auf den 8.5.1945, den Tag der deutschen Kapitulation, für tot erklärt worden war. Das war sicherlich nicht ihr wirkliches Todesdatum, jedoch war dies ein übliches Verfahren, da man die echten Todesdaten nicht mehr herausfinden konnte. Mina Hammel wurde eine Gesamtentschädigung in Höhe von 10.239,87 DM zuerkannt. Der Betrag setzte sich aus der Kapitalentschädigung, der Rentennachzahlung und einer Witwenrente zusammen. Da die deutschen Behörden erst später von der Zahlung dieser Witwenrente erfuhren, wurden 3,774,53 DM zurückgefordert. Die Rückzahlungsforderung führte zu einem langen Rechtsstreit mit den deutschen Behörden. Am 22.03.1959 verstarb Mina Hammel in New York.

Luisa Bolgert
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2018/19

Moch, Rosa

Foto: Staatsarchiv FreiburgRosa Moch wurde am 26. Juli 1905 in Offenburg geboren. Ihre Eltern waren Sara Moch, welche 1878 in Eppingen als Sara Dreyfuß geboren wurde, und Leopold Moch, geboren 1872 in Nonnenweier. Rosa hatte einen jüngeren Bruder, Berthold, und eine ältere Schwester, Jenny. Ihre Arbeit verrichtete sie laut Wiedergutmachungsunterlagen als Hausangestellte, bis sie arbeitslos wurde. Der genaue Zeitpunkt ist dort leider nicht vermerkt. Vermutlich war es ihr aufgrund ihrer Religion nicht mehr erlaubt zu arbeiten.

Aus Rosas Einwohnermeldekarte geht hervor, dass sie in ihrem Leben überdurchschnittlich oft den Wohnsitz wechselte. Sie lebte unter anderem in Frankfurt am Main, Salzuflen und in Wiesbaden. Die Gründe dafür sind unbekannt – da sie als Hausgehilfin arbeitete, war es vermutlich berufsbedingt.

Ihr Bruder Berthold emigrierte 1933 nach Paris, um sich drei Jahre später in Südafrika niederzulassen. Rosas Mutter folgte ihm 1939 dorthin. Als schließlich ihre Schwester Jenny 1934 zuerst nach Russland und drei Jahre später nach Amerika ausreiste, blieb Rosa alleine mit ihrer Tante Sofie Dreyfuß in Offenburg zurück. Rosa stellte einen Antrag auf Ausreise nach England, dieser wurde jedoch abgelehnt.

Über Rosa Moch ist nicht viel bekannt; durch die Trennung der Familie gab es nach 1939 keinen Kontakt mehr zwischen Rosa und ihren Geschwistern oder ihrer Mutter. Am 22. Oktober 1940 wurde Rosa mit den anderen Offenburger Juden in das südfranzösische Internierungslager Gurs deportiert. Nachdem sie noch in weiteren französischen Lagern interniert war,  kam sie schließlich nach Auschwitz, wo sie, wie der Familie später mitgeteilt wurde, ermordet wurde.

Nach Rosas Tod beantragten ihre Geschwister vom Deutschen Staat eine Wiedergutmachungsleistung für die 54-monatige Dauer ihrer Internierung. Diese wurde jedoch abgewiesen.

 
Leonie Müller
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2013/14

Grombacher, Kurt

Kurt Grombacher war ein Offenburger Jude, der wie viele andere während der Zeit des Nationalsozialismus ermordet wurde. Er wurde am 23. Oktober 1922 in Offenburg geboren und war der einzige Sohn von Bella Grombacher, geborene Hausmann, und ihrem Mann Karl Grombacher, einem aus Straßburg stammenden Kaufmann.

Die Familie wohnte in der Franz- Volk-Straße 45, bis sie 1927, als Kurt fast 5 Jahre alt war, in den Philosophenweg 20 umzog. 1935 zog Kurt, mit nicht ganz 13 Jahren, für drei Jahre nach Ettlingen, vermutlich besuchte er dort eine jüdische Schule.
 
Am 10. November 1938, dem Tag nach der sogenannten „Reichskristallnacht“, wurde er, wie alle anderen männlichen Juden über 16 Jahren, in „Schutzhaft“ genommen und in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Einen Monat später wurde er entlassen und zog kurz darauf in die Gaswerkstraße 8 in Miete.
 
Ende September 1939 zog Kurt abermals um, diesmal nach Neuendorf bei Berlin, wo er wieder nicht lange blieb, denn am 5. November kehrte er zu seinem vorherigen Wohnort in Offenburg zurück. Nach einigen Tagen zog er dann mit seiner Familie zunächst in die Hildastraße 57 und knapp drei Monate darauf in die Friedensstraße 46. Beide Häuser waren sogenannte „Judenhäuser“. Mit fast 18 Jahren zog Kurt für vier Monate nach Frankfurt am Main. Im Juli 1940 kehrte er zurück nach Offenburg und lebte erneut in einem der „Judenhäuser“ in der Gaswerkstraße 17.
 
Schließlich wurde er, wie alle anderen badischen Juden am 22.10.1940, von Gestapo- oder SS-Männern zusammen mit seiner Mutter ins französische Internierungslager Gurs deportiert, bis er am 16. März ins Lager Rivesaltes kam. Während seiner Zeit dort wurde er vom 19. Juli bis zum 9. September 1941 zur Organisation Todt abgeordnet. Er musste als Zwangsarbeiter auf einer Baustelle, wahrscheinlich in Lagernähe, arbeiten. Nach diesem Arbeitseinsatz musste er noch eine Zeit lang in Rivesaltes bleiben. Am 16.01. 1942 wurde Kurt in das Untersuchungsgefängnis Perpignan überführt, in dessen Gefängnislisten er jedoch nicht aufgeführt ist.
 
Seit dem 31. August 1944 gilt er als verschollen, weshalb Kurt am 8. Mai 1945 für tot erklärt wurde.

 
Jana Anti
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2013/14