Schnurmann, Siegfried

Foto: Stadtarchiv OffenburgSiegfried Schnurmann wurde am 3. August 1907 in Offenburg geboren. Seine Eltern hießen Elias und Rosa Schnurmann (geborene Valfer) und besaßen das Schuhgeschäft Valfer in der Hauptstraße 73. Beide wurden 1943 nach Theresienstadt deportiert und dort ermordet. Ihnen wurden Stolpersteine gesetzt, die an sie erinnern. Siegfried Schnurmann hatte zwei Schwestern namens Elsa und Berta. Er besuchte die Grundschule, die Oberrealschule und die höhere Handelsschule in Offenburg und machte eine kaufmännische Ausbildung.
 
Innerhalb der Jüdischen Gemeinde betätigte sich Siegfried Schnurmann als Jugendleiter, Wanderführer und Chorleiter. Als Organist begleitete er die Gottesdienste in der Offenburger Synagoge. Von 1924 bis 1933 war er ein aktives Mitglied des „Reichsbanners Schwarzrotgold“, einer Organisation, deren Ziel die Verteidigung der deutschen Demokratie war.
 
1928 trat Schnurmann den „Naturfreunden“ bei. Als diese von den Nationalsozialisten verboten und ihre Häuser beschlagnahmt wurden, mietete er in Seebach im Obergeschoss eines Wohnhauses vier Räume an und richtete sie als Jugendherberge ein. Inzwischen hatten sich in ganz Deutschland zionistische Gruppen gebildet, in denen Jugendliche sich auf die Auswanderung nach Palästina vorbereiteten. Siegfried Schnurmann betreute eine dieser Gruppen in Diersburg. Als diese Mitte der 30er Jahre von der Gestapo drangsaliert wurde, quartierte Schnurmann die Jugendlichen in seiner Jugendherberge in Seebach ein. Dort wurde die Gruppe schließlich von der Gestapo entdeckt und verhaftet. Auch Siegfried Schnurmann wurde verhaftet, kam aber überraschend wieder frei. Es gelang, für die inhaftierten Jugendlichen Ausreisevisa zu beschaffen, sodass alle Mitglieder dieser Gruppe nach Palästina ausreisen konnten.

1936 leitete Siegfried Schnurmann eine andere zionistische Gruppe, mit der er, nach weiteren Verhaftungen, 1937 zu landwirtschaftlichen Arbeiten nach Schweden ausreiste. Um die Arbeitserlaubnis zu bekommen, hatte er sich als Landwirt ausgegeben. Nachdem die schwedische Aufenthaltserlaubnis abgelaufen war, überführte Siegfried Schnurmann seine Gruppe 1938 nach Dänemark. Ein reger Briefwechsel ist aus dieser Zeit erhalten. Mindestens einmal wöchentlich schrieb er und bekam einen Brief von seinen Eltern mit den neuesten Informationen. Im Oktober 1938 fuhr Siegfried Schnurmann zum 70. Geburtstag seines Vaters nach Deutschland. In einem Interview mit Herrn Dr. Martin Ruch berichtet er rückblickend über die Zugreise: “Als die Passkontrolle vorne einstieg, stieg ich hinten aus und stieg vorne wieder ein.“
 
Siegfrieds Mutter war überaus verwundert, dass ihr Sohn plötzlich von Offenburg aus anrief. Der Vater war sehr erfreut, ihn zu sehen. Bei diesem Besuch in Offenburg, kurz vor der Reichspogromnacht, leitete Siegfried Schnurmann zum letzten Mal den jüdischen Chor, von dem nur noch 10 Sänger übrig waren. Nach den Feierlichkeiten kehrte er nach Dänemark zurück. Als dann Dänemark 1940 von den Nazis besetzt wurde, flüchtete Siegfried Schnurmann wieder nach Schweden. 1945 wanderte er nach Israel aus und lebte in einem Kibbuz, den er während des Israelischen Unabhängigkeitskrieges verteidigte.
 
1951 zog Siegfried Schnurmann aus persönlichen Gründen wieder nach Deutschland. Schon in den ersten Tagen besuchte er dort einen katholischen Freund. Über dieses Erlebnis erzählte er: „Mein Freund wollte, da ich Jude war, das Jesusbild abhängen. Doch ich sagte, Jesus habe uns Juden nichts getan, sondern die Christen.“
 
Bei der Offenburger Milchzentrale wurde er zum Chemischen Milch- und Fettprüfer umgeschult. Ehrenamtlich kümmerte er sich um jüdische Überlebende aus den KZs. Seine Mitgliedschaft bei den „Naturfreunden“ nahm Schnurmann wieder auf und engagierte sich viele Jahre lang für den Verein. 1992 wurde er Ehrenmitglied.
 
Siegfried Schnurmann betreute, zunächst ehrenamtlich, die kleine jüdische Gemeinde Freiburg. 1962 erhielt er dort als Sekretär der Gemeinde Freiburg eine feste Anstellung. Er hatte vor allem ein Herz für Kinder; so war sein Ziel Jugendarbeit in der Gemeinde.
 
Das Museum verdankt Siegfried Schnurmann seine Judaica-Abteilung. Dort kann man hören, wie er jüdische Lieder mit Klavierbegleitung singt. Er starb schließlich im Frühjahr 2005.

 
Robert Cieslik
Gedenkbuch Salmen (Offenburg), 2005

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