Collage_Eva Mendelson_Museum im Ritterhaus

Offenburg: Veranstaltungen zum Europäischen Tag der jüdischen Kultur

Das Museum im Ritterhaus lädt zum euorpäischen Tag der jüdischen Kultur interessierte Besucher um 11 Uhr zu einer Führung in der stadtgeschichtlichen Abteilung ein:  Bereits im Mittelalter gab es in Offenburg eine jüdische Gemeinde. Zeugnisse aus dieser Zeit sowie den folgenden Jahrhunderten sind selten. Anders im 19. und 20. Jahrhundert: Nach 1862 entstand mit der jüdischen Emanzipation in Offenburg wieder eine neue, rasch wachsende jüdische Gemeinde. Sie erwarb das Gasthaus „Salmen“ und richtete dort, im ehemaligen Festsaal, ihre Synagoge ein. Mit der Machtergreifung Hitlers im Jahre 1933 änderte sich das Leben der jüdischen Mitbürger tiefgreifend. Die Führung erläutert die Zeugnisse jüdischen Lebens in Offenburg und gibt einen Überblick über die jüdische Geschichte der Stadt Offenburg.

Um 13 Uhr findet zudem eine Führung in der historischen Mikwe statt, zu der seit 2016 die Ausstellung „Vom Bad zum Brunnen“ informiert. Im Rundgang werden folgende Themenfompleye aufgegriffen: Die Geschichte der Offenburger Juden vom Mittelalter bis in die Neuzeit, die Baugeschichte und Datierungsprobleme des Bauwerks, sowie die Funktion eines jüdischen Ritualbads.

In der Kultur- und Erinnerungsstätte Salmen kann die Austellung „Ausgegrenzt, verfolgt, vernichtet. Die jüdische Gemeinde Offenburg“ von 14-17 Uhr frei besichtigt werden.

Sonntag, 1. September 2019
11 Uhr: Führung Museum, mit Marion Herrman-Malecha
Offenburg, Museum im Ritterhaus, Ritterstraße 10
13 Uhr: Führung Mikwe, mit Renée Hauser
Offenburg, Mikwe, Glaserstraße 8
14 – 17 Uhr: Sonderöffnung „Ausgegrenzt, verfolgt, vernichtet. Die jüdische Gemeinde Offenburg, Salmen, lange Str. 52
Eintritt frei
Info Tel. 0781 – 82 2577, um Anmeldung wird gebeten

Gedenken über die Grenzen hinweg

Bei einer Veranstaltung auf dem jüdischen Friedhof in Schmieheim wird an das jüdische Leben auf beiden Seiten des Rheins erinnert. Erstmals nach der Deportation der jüdischen Bürger ins Lager Gurs im Jahr 1940 findet auf dem jüdischen Friedhof in Schmieheim eine grenzüberschreitende Gedenkveranstaltung zur Shoah statt. Patrick Blum und Francis Levy aus dem Elsass organisieren die Veranstaltung am Sonntag, 8. September. Involviert sind außerdem die Gemeinde Kippenheim, der Förderverein Ehemalige Synagoge Kippenheim und der Deutsch-Israelische Arbeitskreis Südlicher Oberrhein. Weiterlesen: badische_zeitung_lahr_30082019_Seite_31

Der Weg zur Gedenkstätte

Der Förderverein ehemalige Synagoge Kippenheim beteiligt sich auch in diesem Jahr wieder am europäischen Tag der jüdischen Kulutr am 1. September. Weiterlesen:

jüdisches Museum Emmendingen

Emmendingen: Von Sinnen! Führung für Kinder und Jugendliche

In den Sommerferien haben Kinder und Jugendliche in Emmendingen die Gelegenheit, einen etwas anderen Museumsbesuch mitzuerleben: das Jüdische Museum Emmendingen bietet ein zweistündiges Programm an, das einen anschaulichen Blick in die jüdische Kultur gewährt.
„Von Sinnen“ – Fühlen, Riechen, Hören, Sehen und auch Schmecken – mach mit! Von Langeweile keine Spur!

Dienstag, 20. August 2019, 10-12 Uhr
Für Kinder ab 10 Jahre
Treffpunkt: Schlossplatz
Kontakt:
Jüdisches Museum Emmendingen (Mikwe), Schlossplatz 7
Eintritt frei, Spenden erbeten

Greilsheimer, Josef und Mirjam (geb. Barth)

Josef Greilsheimer, genannt Herschel Sepp, wurde in Friesenheim geboren, am 27. Mai 1878. Er wohnte in der Hauptstraße 95 und war Viehhändler. Mehrfach wurde mir berichtet, dass er „jedem Armen eine Kuh in den Stall gestellt“ hat, bezahlen konnte er später, wenn durch den Verkauf der Milch Geld ins Haus gekommen ist. Er war der letzte Vorsteher der jüdischen Gemeinde Friesenheims.
 
Seine Frau Miriam, geb. Barth, war 14 Jahre jünger als er (geb. 6. Februar 1893). Sie sei eine liebe Frau gewesen, hörte ich oft. Wenn die Kinder für sie etwas eingekauft haben oder ihr Blumen gebracht haben, bekamen sie ein Stück Matzen. Besonders Sumpfdotterblumen mochte sie. Viel Abwechslung gab es für die Kinder damals nicht. Da sind sie gerne zu den Wiesen hinter der Mühle gegangen und haben Blumen gepflückt.

Die Kinder halfen beim Holz reintragen und zündeten am Freitag-Abend und Samstag-Morgen das Feuer im Herd in der Küche und im Ofen in der Stube an, weil es Juden am Schabbat verboten ist, zu arbeiten. Frau Greilsheimer hatte das Papier und das Anmachholz gerichtet, sie brauchten es nur reinstecken und anzünden, wie sie es zuhause auch taten. Eigene Kinder hatten das Ehepaar Greilsheimer nicht.
 
Wahrscheinlich wurde Josef Greilsheimer nach der sogenannten Reichkristallnacht im November 1938 auch verhaftet und nach Dachau in „Schutzhaft“ gebracht. Die Lahrer SS hatte den Befehl alle männlichen Juden festzunehmen. Es ist nur eine Vermutung. Vielleicht war der damals 60jährige auch schon zu krank.
 
Am 22. Oktober 1940 wurden neun in Friesenheim lebenden Juden nach Gurs deportiert. Die Eheleute Greilsheimer blieben als einzige Juden in ihrem Heimatdorf zurück. Das für die Abschiebungsaktion vorbereitete Merkblatt schrieb den ausführenden Beamten vor, „bettlägerige und schwer kranke“ Menschen von der Deportation auszunehmen. Herr Greilsheimer war krank, er lag mit Lungenentzündung im Bett. Seine Frau Mirjam hatte für seine Pflege zu sorgen und konnte deshalb auch in Friesenheim bleiben.
 
Die beiden waren gezwungen, weitere antijüdische Verordnungen und Gesetze mit zu erleben. So mussten sie ab dem 1. September 1941 einen gelben Judenstern an der Kleidung tragen. Ab Oktober 1941 hätten sie nur noch mit schriftlicher Genehmigung Friesenheim verlassen dürfen und das auch nur, ohne öffentlichen Verkehrsmittel zu benutzen.
 
Miriam Greilsheimer fragte manchmal den Nachbarn, Michel Erb, ob sie zu ihnen kommen könnte. Ihr würde daheim die Decke auf den Kopf fallen mit dem kranken Mann und ohne die jüdischen Freunde. Sie durfte gerne kommen. Wenn sie wieder nach Hause gehen wollte, mussten die Kinder erst in die Mühlgasse stehen und schauen, ob niemand unterwegs ist.
 
Am Morgen des 9. April 1942 traf Paula Ernst ihren Nachbarn Josef Greilsheimer in der hinter seinem Haus gelegenen Mühlgasse. Sie wunderte sich nicht, dass er einen Strick in der Hand hatte. Schließlich war er Viehhändler gewesen, da gehörte ein Strick zum Handwerkszeug. Als er gesucht wurde und sie in den Obstplantagen hinter dem Haus nach ihm geschaut hatte, erinnerte sie sich mit einer furchtbaren Vorahnung an den Strick. Josef Greislheimer hatte sich am Vormittag in der Scheune hinter seinem Wohnhaus aufgehängt. Eine Kommission nahm den Fall auf, Schaulustige kamen sofort und der Bezirksarzt kam am nächsten Tag. Josef Greilsheimer wäre im nächsten Monat 64 Jahre alt geworden.

Dem Ehepaar Greilsheimer war einige Tage vor dem Tod von Josef Greilsheimer mitgeteilt worden, dass sie am 26. April 1942 nach Polen gebracht werden sollten. Am Vortag hatte die Sozialarbeiterin Henny Wertheimer im Auftrag der jüdischen Bezirksstelle Baden-Pfalz ihnen noch beim Koffer packen geholfen, sie hatte von Selbstmordabsichten nichts bemerkt.

Wenn man das Ende des Josef Greilsheimer als Freitod bezeichnet (wie im Ortssippenbuch oder im Büchlein von Jürgen Stude) oder gar sagt, er habe den Freitod vorgezogen, entsetzt mich das zutiefst. Hat er gewusst, was ihn erwartet?
 
Seine Frau Miriam musste nun auch noch den Tod ihres Mannes ertragen. Im Memor-Buch zum jüdischen Friedhof Schmieheim heißt es, er sei dort bestattet. Einen Grabstein gibt es nicht. Konnte er nach jüdischen Ritual beerdigt werden?

Am 26. April 1942 wurde Mirjam Greilsheimer nach Stuttgart verbracht und von dort nach Izbica bei Lublin in Polen verschleppt. Damals war sie 46 Jahre alt. Nach dem Krieg wurde sie offiziell als „verschollen“ bezeichnet.
 
 
Brief von Henny Wertheimer an Eisenmann von der jüdischen Bezirksstelle Baden-Pfalz:
„Heute komme ich spät vom Außendienst heim und will trotzdem noch diese Zeilen zur Post bringen. Leider muß ich ihnen eine Hiobsbotschaft melden. Herr Jos. Greilsheimer von Friesenheim hat sich heute Vormittag erhängt. Gestern Nachmittag war ich dorten und packte den Leuten noch die Koffer, aber von Selbstmordabsichten merkte ich nichts bei ihm, er war stark herzleidend. Mein Mann und ich stehen den Leuten nach Kräften bei, es ist nur gut, daß die Mutter jetzt bei ihr ist.
Lieber Herr Doktor, ich habe noch schwere Aufgaben zu bewältigen. Nachdem mir heute das Telegramm vom Tod des Herrn Jos. Greilsheimer nach Schmieheim nachgeschickt wurde, fuhr ich noch abends von Kippenheim nach Friesenheim, mein Mann war schon dort, eine Kommission hatte schon alles aufgenommen. Morgen kommt der Bezirksarzt, es ist alles so schrecklich traurig! Ich bin heute über 20 Kilometer zu Fuß gelaufen und bin todmüde.
 Hoffentlich bekomm ich bald Bescheid von Ihnen wegen der Aufnahme meiner Kranken nach Mannheim. Ich weiß, Herr Doktor, auch sie haben schwere Sorgen und müssen ihren Kopf beisammen halten. Schließlich geht auch dies vorüber, wie alles im Leben, Kosmisches Gesetz!
Mit freundlichen Grüßen Frau Henny Wertheimer 
Ich bitte noch um ein paar Sterne zum Aufnähen an die Kleider“.
 
 
Antje Loleit-Kuhlen
Friesenheim 2004

Dreifuss, Alice

Alice Dreifuss wurde am 3. April 1910 in Altdorf geboren. Sie war Tochter des koscheren Metzgers Leopold Dreifuss und seiner Frau Léonie, die aus dem Elsass stammte. Alice hatte einen Bruder, Siegfried, der später in Straßburg arbeitete. Einige erhaltene Photos, die Alice im Kreise ihrer Freundinnen und in einem Faschingskostüm zeigen, lassen vermuten, dass sie eine fröhliche Kindheit hatte. Alice lebte noch zu Hause, als die Nationalsozialisten im Januar 1933 die Macht übernahmen. Sie musste am 10. November 1938, dem Pogromtag, miterleben, wie ihr Vater mit den anderen jüdischen Männern Altdorfs abgeholt und für einige Wochen in das Konzentrationslager Dachau verbracht wurde.

Nach seiner Freilassung aus Dachau beschloss die Familie, nach Frankreich zu fliehen, doch nur die Mutter durfte einreisen, da sie geborene Elsässerin war. Es gibt in der Familie eine Überlieferung, dass die Einreise von Alice auch daran gescheitern sein könnte, dass sie sich in früheren Jahren bei einem Aufenthalt in Frankreich als deutsche Patriotin geäußert haben soll. Alice und ihr Vater Leopold erhofften sich nun Schutz durch eine Niederlassung in Berlin, dessen jüdischer Gemeinde 1939 noch etwa 80.000 Menschen angehörten. Sie fanden eine Unterkunft in Berlin-Mitte, unweit der Neuen Synagoge und wohnten zur Untermiete bei der Berliner jüdischen Familie Fischel. Per Briefverkehr hielten Vater und Tochter Kontakt mit der Mutter Léonie und dem Sohn Siegfried. Alice schrieb: „Das Heimweh nach der guten alten Zeit Altdorfer könnt Ihr sicher nachfühlen u. wollen wir zum lieben Gott hoffen, dass er uns noch mal ein ähnliches Dasein in Gesundheit und Frieden erleben lässt. Amen.“

Leopold und Alice wurden aus dem Vermögen einer Verwandten unterstützt, das jedoch durch das Finanzamt in Berlin Moabit eingezogen wurde, als diese auswanderte. Alice musste zu diesem Zeitpunkt bereits Zwangsarbeit bei den Berliner Siemenswerke leisten. Schichtarbeit prägte ihren Tagesablauf, der oft schon morgens um vier Uhr begann. Nach Einschaltung eines Rechtsvertreters gelang es, wenigstens für Leopold die regelmäßige Unterstützung aus dem beschlagnahmten Vermögen erhalten.

Leopold wurde im Juli 1942 in das deutsche Ghetto-Lager Theresienstadt verschleppt. Alice gehörte zu den Zehntausenden jüdischer Zwangsarbeiter, die zunächst weiter in der Industrie und Rüstungsproduktion eingesetzt wurden. Noch vor der systematischen Verhaftungswelle gegen diese Menschen, die im Februar 1943 begann, erhielt Alice die Aufforderung, sich zum Abtransport bereit zu halten. Mit mindestens 1.000, möglicherweise jedoch 1.200 Juden und Jüdinnen aus Berlin bestieg sie am 12. Januar 1943 einen Deportationszug, der nach Auschwitz abging. Nur 127 männliche Verschleppte dieses Transportes erhielten nach den Lagerver-zeich¬nissen eine Tätowierungsnummer. Alle anderen wurden unmittelbar nach Ankunft in den Gaskammern ermordet. Unter ihnen befand auch Alice Dreifuß.

Dr. Uli Baumann
Berlin

Reckendorf, Lilly

29.August 1889: Cäcilie Reckendorf , genannt Lilly (Lili), kommt als älteste Tochter von Frieda und Dr. Hermann Reckendorf in Heidelberg zur Welt.

1904: Als Kind jüdischer Eltern wird sie evangelisch getauft, um zusammen mit ihrem Bruder Otto eine Reise nach Russland antreten zu können , die jedoch nie stattfindet.

1907: Sie besucht die höhere Mädchenschule in Freiburg und legt dort das Examen für evangelische Religionslehrerinnen ab.

1909: Als erste Lehrerin in Hausen bei Lörrach nimmt sie ihren Dienst auf.

Juli 1925: Lilly Reckendorf wird zur Fortbildungshauptschullehrerin an der Mädchenfortbildungsschule Lahr, die der Friedrichschule angegliedert ist, ernannt und unterrichtet dort bis 1933.

Januar 1930: Sie nimmt für vier Wochen Dieter Roland bei sich auf, als dessen Vater Otto im Sterben liegt und kümmert sich intensiv um seinen Sohn. Der Kontakt zu Familie Roland hatte Lilly Reckendorf in ihrem Glauben entscheidend geprägt. Otto Roland war evangelischer Pfarrer und in der Jugendarbeit engagiert. Dieter Roland besucht die Luisenschule, wird später Kinderarzt in Lahr und ist der Spender des ersten Stolpersteins in Lahr für Lilly Reckendorf.[1]

7. April 1933: Als „Judenchristin“ fällt sie unter das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ und erhält Berufsverbot wegen ihrer jüdischen Abstammung. Sie betrachtet sich selbst als vollwertige Christin und hat mit der jüdischen Bevölkerung wenig Kontakt.

22. April 1933: In ihrer Not wendet sie sich an den emeritierten Kirchenpräsidenten der evangelischen Landeskirche D. K. Wurth, der sich außerstande sieht „aufgrund der Überfremdung unseres Volkes“ [2]ihrem Anliegen zu entsprechen.

September 1933: Ihre Zwangspensionierung wird wirksam. Sie meldet sich in Lahr ab und kehrt in ihre Heimatstadt Freiburg zurück. In der Holbeinstr. 5 bewohnt sie ein Zimmer im Haus von Witwe Lenel und deren Tochter Berta. Beide sind ebenfalls jüdischer Herkunft. Lilly Reckendorfs Wohnung befindet sich unweit ihres Elternhauses in der Maximilianstr. 34.

Jahreswechsel 1939/40: Lilly Reckendorf besucht die drei Geschwister Roland in Grötzingen bei Nacht, die kurz zuvor Waisen geworden waren. Ihre Unterstützung bei der Auflösung deren Wohnung ist für lange Zeit ihre letzte Begegnung.

22. Oktober 1940: Zusammen mit über 6500 weiteren Juden aus Baden, dem Saarland und der Pfalz wird sie in das französische Konzentrationslager Gurs deportiert. Sie wird Sprecherin von Baracke 9. Es gelingt ihr, seelsorgerisch tätig zu werden und damit die unerträglichen Zustände des Lagerlebens zu mildern.[3]
Februar 1942: Drei Wochen vor Beginn der Transporte der Internierten in die Lager im Osten kann sie Gurs verlassen und ein Protestantenheim in den Cevennen, nahe der Loirequelle, beziehen. Ihr Weg führt sie in die französischen Alpen. Im  Kloster „Couvent de la Croix“ in Chavanod, Haute Savoye[4]hält sie sich für mehrere Monate auf.

22. Januar 1943: Lilly Reckendorf verlässt das Kloster. Mit Hilfe einer überkonfessionellen Pfadfindergruppe gelingt ihr die abenteuerliche Flucht über die französisch-schweizerische Grenze. Sie findet Zuflucht in der Rheingasse 76 in Basel.

1943-1946: Anhand von Tagebuchaufzeichnungen schreibt sie ihre Erinnerungen nieder und bereitet ihre Rückkehr nach Freiburg vor.

8. Mai 1946: Sie richtet Wiedergutmachungsansprüche Privatpersonen und Behörden betreffend an die Feststellungsbehörde in Freiburg. Diese wickelt erstere nur zögerlich ab.[5]

10. April 1947: Das Badische Ministerium des Innern stellt bei Lilly Reckendorf israelitische Konfession fest. Aufgrund des Reichsbürgergesetzes vom 25. November 1941 habe sie die deutsche Staatsangehörigkeit verloren. Ein Wiederaufleben derselben sei nicht zwangsläufig gegeben. Ihre Wiedergutmachungsansprüche verzögern sich weiterhin.

16. Juni 1948: Lilly Reckendorf verzichtet auf die Rückerstattung ihres zwangsenteigneten Elternhauses in der Maximilianstr. 34, das von Alfred Bea und seiner Frau käuflich erworben worden war. Ihm hatte Lilly Reckendorf von Basel aus Vollmacht erteilt, sie vor Gericht in ihren Wiedergutmachungsansprüchen zu vertreten.

1948: Sie kehrt nach Freiburg zurück und bewohnt eine kleine Wohnung in der Maximilianstr. 30. Für zwei Jahre nimmt sie ihren Beruf als Lehrerin nochmals auf.

4. Januar 1952: Vor der Restitutionskammer des Badischen Landgerichts in Freiburg schließen Lilly Reckendorf und die Eheleute Bea bezüglich des Elternhauses von Lilly Reckendorf eine gütliche Vereinbarung. Lilly Reckendorf erhält 4.400 DM als Abfindung. Weitere Ansprüche, die sie dem Staat gegenüber geltend machte wie ihre Zwangsenteignung, oder Gehaltseinbußen wegen Zwangspensionierung, bleiben weiterhin unbearbeitet.

April 1952: Lilly Reckendorf erkrankt schwer und erliegt einem Krebsleiden. Sie findet ihre letzte Ruhestätte im elterlichen Grab, das sich noch heute an der Westmauer des Freiburger Hauptfriedhofs befindet. Pfarrer Krastel, langjähriger Seelsorger der Christusgemeinde Lahr hält die Trauerrede. Zu ihm wie zu Familie Roland und weiteren ihr nahe Stehenden brach der Kontakt zeitlebens nicht ab.

Gardy Ruder
Initiative Stolpersteine in Lahr

[1]  Bericht in der Badischen Zeitung vom 03.Mai 2003, Ausgabe Ortenau
[2]  Akte Landeskirchliches Archiv, Generalie 3206
[3] „Wir gingen stumm und tränenlos“, veröffentlicht in „Allmende Nr. 45,  15. Jahrgang 1995, sowie „Alemannisches Judentum“, Hg.: Manfred Bosch; Edition Klaus Isele, Eggingen 2001
[4]   Unveröffentlichtes Manuskript, zweiter Teil ihrer Erinnerungen an die Deportation von Freiburg nach Gurs am 22. Oktober 1940 und die nachfolgenden Erlebnisse bis zu ihrer Flucht in die Schweiz 1943
[5]   Staatsarchiv Freiburg, Bestand F 200/7, Nr. 1255