Friedman, Ingeborg (geb. Hammel)

Foto: Staatsarchiv Freiburg

Ingeborg Lore Hammel, so ihr vollständiger Name, wurde am 25. Oktober 1925 in Offenburg geboren. Sie war die Tochter von Julius Hammel, von Beruf Viehhändler, und seiner Frau Irma. Ihre Schwester Hedwig war eineinhalb Jahre älter als sie.

Die Familie lebte in der Gaswerkstraße 17 in Offenburg. Leider ist nur sehr wenig über die Kindheit von Ingeborg bekannt.

Am 22. Oktober 1940, dem Tag, an dem alle Juden aus Baden, der Pfalz und dem Saarland nach Gurs transportiert wurden,  brachte man alle jüdischen Einwohner Offenburgs, darunter auch Familie Hammel, in eine Turnhalle. Ingeborg war noch nicht ganz 15 Jahre alt. Dort mussten sie den ganzen Tag ohne Essen und Trinken ausharren, bis sie abends schließlich deportiert wurden. Nach dreitägiger Zugfahrt kamen sie im Internierungslager Gurs an, wo sie in den engen Baracken dreckige Strohsäcke vorfanden.  Läuse, Ratten und vor allen Dingen der Hunger plagten die Menschen.

Ein knappes halbes Jahr später wurden Ingeborg und ihre Schwester dann in das Lager nach  Rivesaltes gebracht, wo sie fast ein Jahr lang bleiben mussten. Ingeborg hatte dann das Glück von einer französischen Familie jüdischen Glaubens „adoptiert“ zu werden. Sie erhielt die Erlaubnis, das Lager am 31. Januar 1942 zu verlassen und bei den Dreyfus‘ in Montpellier zu wohnen.  Ingeborg kümmerte sich um das Kind der Familie und übernahm viele Aufgaben im Haushalt. Durch ihre Fürsprache kam Hedwig Hammel wenig später bei einem Freund der Familie, Dr. Cazal, unter.

Dessen Schwester hatte wohl Verbindungen und fand heraus, dass Ingeborg und Hedwig auf einer Liste standen, die die Personen aufführte, die wieder zurück ins Lager kommen sollten. 

Deshalb plante man, die beiden Mädchen in einen Zug nach Annecy zu setzen, wo noch eine Schwester der Familie Cazal lebte, damit sie von dort aus die Grenze zur Schweiz überqueren könnten, wozu es aber letztendlich nie kam.
 
Ingeborg und Hedwig fuhren erst einmal nach Lyon, um dort umzusteigen. Allerdings wurde der Bahnhof kontrolliert und die beiden Geschwister flüchteten sich angesichts der unerwarteten Situation in einen unbesetzten Zug, wo sie sich unter den Sitzen verstecken. Dort wurden sie von Arbeitern gefunden, die wohl großes Mitleid mit ihnen hatten. Sie übergaben die Mädchen dem Personal eines anderen Zuges, das sie versteckt hielt. So schafften es die Mädchen schließlich, Annecy zu erreichen. Erst später realisierten sie, dass sie es geschafft hatten, den deutschen Besatzern zu entgehen.

Hedwig fand Unterschlupf bei der Schwester des Herrn Cazal, während Ingeborg zur wohlhabenden Familie Paccard geschickt wurde, die Kirchenglocken herstellte. Es begann eine sehr schwere Zeit für die jungen Frauen. Sie sahen sich so gut wie nie. Außerdem durften sie nicht sprechen und sich nicht zeigen, da natürlich keiner erfahren durfte, wer sie waren und woher sie kamen. Erst als die Alpen sowie die Savoie 1944 befreit worden waren, konnten sie sich unter der neuen Regierung registrieren lassen.
 
Eine Tante der Schwestern, Mina Braunschweig, war mit einem Franzosen verheiratet. Sie hatte einen Sohn, der für die Forces Francaises Libres arbeitete und nach der Befreiung auf die Namen seiner Cousinen stieß. Er erhielt für die Mädchen die militärische Erlaubnis, nach Paris zu reisen.
 
Dort angekommen stellten sich Ingeborg und Hedwig wieder in den Dienst jüdischer Familien. Allerdings besaßen sie nicht die französische Staatsangehörigkeit und sahen keine Zukunft in diesem Land. Deshalb beschlossen sie, in die USA auszuwandern. Von Familienangehörigen konnten sie sich Geld leihen und kamen am 23. Juli 1946 in Texas an, von wo aus sie weiter nach New York reisten und ein neues Leben begannen.  Zwei Jahre später heiratete Ingeborg Norbert Friedman. Die beiden bekamen zwei Söhne, Larry und Ronald.
 
Am 14. November 1981 starb Ingeborg Friedman, geborene Hammel, im Alter von 56 Jahren an einem Gehirntumor.
 

Melissa Lusch
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2010/11

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