Betty Sturmann wurde am 7. November 1883 geboren und wuchs mit ihren drei Geschwistern und ihren Eltern in Chemnitz (Sachsen) auf. Über ihre Kindheit dort ist nichts bekannt, ebenso wenig der Grund, weshalb die ganze Familie im Jahre 1920 nach Offenburg zog. Anfangs wohnte die Familie in der Gaswerkstraße 11. Später zog sie innerhalb der Stadt noch dreimal um. Der Vater, Herrmann Sturmann, gründete ein Kurz- und Wollwarengeschäft in der Steinstraße 7. Später ging der Laden an Bettys älteren Bruder Willy über. Betty die ebenfalls einen kaufmännischen Beruf erlernte, übernahm nach dem Tode ihres Bruders am 1. März 1935 das Familiengeschäft.
Das Geschäft lief gut und brachte monatlich um die 600 Reichsmark ein. Mit dem Beginn der Naziherrschaft wurde das jüdische Geschäft jedoch immer mehr boykottiert. Im Jahre 1938 musste Betty es zwangsverkaufen. Ab dem 11. Dezember übernahm Alfons Kutter, ein Bekannter der Familie, den Kurz- und Wollwarenhandel. Den Kaufpreis erhielt Betty nie, den Alfons Kutter überwies das Geld auf ein Sperrkonto. Dies war von staatlicher Seite bei Verkauf jüdischen Vermögens bei der Ausplünderung der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern so vorgesehen.
Bis zum 22. Oktober 1940 lebte die Familie Sturmann in der Hildastraße 57, mit Ausnahme von Bettys jüngere Schwester Gertrud, verheiratete Skosowski, die zu ihrem Mann nach Frankreich gezogen war. Am Schicksalstag der Offenburger Juden wurde Betty gemeinsam mit ihrer älteren Schwester Henriette, verheiratete Grünebaum, zum Schiller-Gymnasium Offenburg gebracht. Mit der Eisenbahn wurden sie und knapp 100 andere in Offenburg lebende Juden nach Südfrankreich ins Lager von Gurs deportiert.
Ein Jahr nach der Deportation, im März 1941, erhielt der Gestapomitarbeiter Fritz Dochat für kleines Geld einen Teil der zurückgelassenen Möbelstücke der Familie Sturmann. Dazu gehörten: ein Schreibtisch, ein Kühlschrank, ein Tisch und ein Sofa. Das restliche Inventar wurde laut einer Zeugenaussage völlig demoliert.
Betty wurde nach einem zweijährigen Lageraufenthalt in Frankreich im September 1942 über Drancy nach Auschwitz deportiert, wo sie ermordet wurde. Da das genaue Todesdatum nicht bekannt war, setzte das Amtsgericht später den 31. Dezember 1945 als Todestag fest. Bettys Stolperstein ist in der Wilhelmstraße 10, wo sie 1922 lebte, zu finden.
Bettys Schwestern Henriette und Gertrud überlebten den 2. Weltkrieg. Als Erbin ihrer Schwester beanspruchte Henriette eine Entschädigung wegen des früheren Zwangsverkaufs des Ladens. Doch Alfons Kutter weigerte sich und behauptete, er habe Betty Sturmann das Geschäft nur aus Mitleid abgekauft und einen angemessenen Geldbetrag bezahlt. Daraufhin klagte Henriette auf Wiedergutmachung und es kam zu einigen Prozessen und Gerichtsverhandlungen. Am Ende musste Alfons Kutter zwar nur, aber immer hin 1000 DM als Ausgleichzahlung leisten.
Ida Hillenbrand, Klasse 9
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2019/20