Moser, Ernst

Ernst Moser wurde am 19.10.1906 in Oberweier als erstes Kind des Zigarrenmeisters Leo Moser und seiner Ehefrau Auguste geboren. Die Familie zog um 1913 nach Haslach. Ernst Moser besuchte nach der Volksschule Haslach das Gymnasium in Offenburg. Dort erlebte er 1918 einen Fliegergangriff, der ihm sehr zusetzte. Seit dieser Zeit traten bei Ernst Moser erste epileptische Anfälle auf. Wegen der Risiken auf den täglichen Bahnfahrten beendete er den Schulbesuch und begann eine Lehre als Eisendreher bei der Hammerschmiede in Haslach. Im Laufe der Jahre nahmen seine Anfälle an Intensität zu und so kam er 1926 zum ersten Mal in die psychiatrische Klinik nach Freiburg, er wurde aber bald wieder nach Hause entlassen.

Die epileptischen Anfälle von Ernst Moser traten immer wieder auf und bereiteten seiner inzwischen verwitweten Mutter und seinen Geschwistern große Sorgen, auch weil Ernst inzwischen zu einem stattlichen Mann herangewachsen war. So wurde er am 29. Juli 1930 ärztlicherseits zur Behandlung in die Heilanstalt Illenau eingewiesen. Von dort kam er im gleichen Jahr in die Heil- und Pflegeanstalt nach Kork. Mehrfach wechselte sein Aufenthalt zwischen diesen beiden Kliniken.
Nachdem die Familie 1937 von der Rudolfstraße in die Steinacher Straße 9 umgezogen war, kam Ernst Moser am 27. April 1938 zur Behandlung in das Krankenhaus nach Emmendingen.
Über all die Jahre führte Ernst Moser ein Tagebuch, in dem er die lange Zeit in den Krankenhäusern festhielt.

Ende Juli 1940 erhielt die Familie Moser völlig unerwartet einen Brief der Landesanstalt Hartheim bei Linz:

Sehr geehrte Frau Moser!
In Erfüllung einer traurigen Pflicht müssen wir Ihnen zu unserem größten Bedauern mitteilen, dass Ihr Sohn Ernst Moser, der auf ministerielle Anordnung gemäß Weisung des Reichsverteidigungskommissars in unsere Anstalt verlegt wurde, unerwartet am 29.Juli 1940 infolge aufsteigender Infektion der Harnwege und Nierenbeckenvereiterung verstorben ist. Eine ärztliche Hilfe war leider nicht mehr möglich. Da jedoch bei der Art und der Schwere des Leidens Ihres Sohnes mit einer Besserung und damit auch mit einer Entlassung aus der Anstalt nicht mehr zu rechnen war, kann man seinen Tod, der ihn von seinem Leiden befreite und ihn vor einer lebenslänglichen Anstaltspflege bewahrte, nur als Erlösung für ihn ansehen; Möge Ihnen diese Gewissheit zum Troste gereichen.
Um einer möglichen Seuchengefahr, die jetzt während des Krieges besonders groß ist, vorzubeugen, musste der Verstorbene auf polizeiliche Anordnung hin sofort eingeäschert werden.
Zwei Sterbeurkunden, die Sie für eine etwaige Verlegung bei Behörden sorgfältig aufbewahren wollen, fügen wir bei.
Der Brief schließt mit der Schlussformel: Heil Hitler.

Die verzweifelte Mutter ahnte, dass die im Schreiben genannten Angaben nicht der Wahrheit entsprachen. Auch ein vorsichtiger Hinweis des damaligen Haslacher Stadtpfarrers Vetter gegenüber Frau Moser betätigten ihre Zweifel. Die volle Wahrheit hat Frau Moser aber bis zu ihrem Tod 1956 nie erfahren.

Erst im Jahre 2010 konnte recherchiert werden, dass in dem zynischen Beileidsschreiben Sterbeort und Sterbedatum zur Vertuschung der Ermordung fingiert waren. Durch die korrekten Angaben wäre deutlich geworden, dass der Tod vieler Patienten aus der gleichen Anstalt am gleichen Tag einen unnatürlichen Grund haben musste.

Die Wahrheit ist, Ernst Moser wurde am 15.Juli 1940 von der Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen abgeholt und zusammen mit 75 weiteren Patienten mit den drei berüchtigten „Grauen Bussen“ in die Tötungsanstalt Grafeneck auf der Schwäbischen Alb gebracht. Dort wurden die Männer, Frauen und Kinder noch am gleichen Tag mit Kohlenmonoxyd ermordet. Nahe der Gaskammer wurden die Toten in drei mit Koks befeuerten Öfen verbrannt.

Ernst Moser, der über eine überdurchschnittliche Intelligenz verfügte, der von epileptischen Anfällen geplagt wurde, war zum Euthanasieopfer geworden.
Er war einer von 10 654 Menschen, die 1940 allein in Grafeneck für lebensunwert erklärt und ermordet wurden.

In der Steinacher Straße 9 in Haslach liegt seit 2010 ein Stolperstein zur Erinnerung an Ernst Moser.

Sören Fuß
Stolpersteinprojekt Haslach im Kinzigtal

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