Vieser, Katharina

Katharina Vieser, Stolperstein KippenheimSie kommt als zehntes von elf Kindern zur Welt und wächst in der Stefanienstrasse 7 im landwirtschaftlichen Anwesen auf. Von 1904 bis 1912 besucht sie die Friedrichschule und gilt als fröhliches Kind und fleißige Schülerin.
 
1923 heiratet sie den aus Mietersheim stammenden Holzbildhauer Herrmann K. und bringt genau zwei Jahre später ihren ersten Sohn zur Welt. Vermutlich erlitt sie durch die schwere Geburt und den Tod des Vaters drei Monate zuvor eine Schwan­gerschaftsdepression. Eine erste „fürsorgliche“ Einweisung in eine psychiatrische Einrichtung erfolgt für ein halbes Jahr im Mai 1925.
 
Nach der Geburt ihres zweiten Sohnes 1929 erfolgt im September 1931 wiederum ein Aufenthalt in der damaligen Heil- und Pflegeanstalt Emmendingen, wo sie im April 1932 für drei Monate nach Hause entlassen wird, bevor sie insgesamt für die Dauer von acht Jahren ihren längsten und letzten Psychiatrie-Aufenthalt antritt. Versuche, die Anstalt wieder zu verlassen, bleiben ohne Erfolg. Die Scheidung der Ehe erfolgt im Juli 1934.
 
Von Ärzten mit der Diagnose „endogene Schizophrenie“ etikettiert, gerät sie in die Todesmaschinerie der Nationalsozialisten.  Sie fällt unter das „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ und wird 1939 im Rahmen der Meldebogenaktion T 4[1] erfasst und schließlich am 26. November 1940 „aus planwirtschaftlichen Gründen“[2] nach Grafeneck verlegt. In diese erste Vernichtungsanstalt auf deutschem Boden, in der industriell gemordet wurde, fanden von Januar bis Dezember 1940 insgesamt 10.654 Frauen, Männer und Kinder durch Giftgas den Tod, 927 allein von ihnen aus Emmendingen.
 
Der Ermordung von Katharina Vieser geht eine ein- bis zweiminütige Untersuchung voraus, die keinem Erkenntnisinteresse mehr dient. Sie stirbt entrechtet, gedemütigt, entwürdigt in der Gaskammer von Grafeneck. Ihr Tod hat nichts vom sanften Hinübergleiten, wie er später verharmlosend, zynisch-heuchlerisch den Angehörigen mitgeteilt wird, sondern es handelt sich um einen Akt grausamster Barbarei.
 

Gardy-Käthe Ruder (Enkelin von Katharina Vieser)
Stolpersteinprojekt Kippenheim, 2006
 
[1] Die Zentrale zur Erfassung, Durchführung und Ermordung psychisch Kranker und geistig Behinderter befand sich in der
   Berliner Tiergartenstr..4.
[2] Abschließende Bemerkung in der Krankenakte, Bundesarchiv Berlin R 179, Nr. 17260

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