Haberer, Leo

Der am 10. Juni 1887 in Friesenheim geborene Leo Haberer war eines von fünf Kindern des Kaufmanns Karl Haberer III und dessen Frau Marie Haberer (geb. Kornmann). Am 8. Juli 1919 heiratete er seine Frau Thekla Haberer (geb. Wertheimer). Mit ihr hatte er zwei gemeinsame Töchter, Ingeborg (geb. 19.01.1921 in Freiburg) und Ellen (geb. 27.03.1926 in Offenburg). 

Leo Haberer war Kaufmann, er öffnete am 3. November 1922 ein Textilgeschäft und wenig später ein Möbelgeschäft in der Steinstraße 28 in Offenburg. Seine Frau Thekla, die am 19. Februar 1896 in Kippenheim geboren wurde, half ganztägig als Geschäftsführerin im Geschäft ihres Mannes. Sie bezog kein festes Gehalt und arbeitete mit zwei Verkäuferinnen und einer Buchhalterin zusammen. Leo Haberer verbrachte fünf Tage die Woche bei auswärtigen Kunden. Die Geschäfte liefen zunächst gut. Nachdem die NSDAP 1933 an die Macht kam, verschlechterte sich seine geschäftliche und finanzielle Lage deutlich. Kurz nach der Flucht seines älteren Bruders Max Haberer im Jahr 1935 in die Schweiz, wurde Leo Haberer von der Gestapo als Repressalie verhaftet. Er war drei Monate inhaftiert. 1937 musste er sein Textilgeschäft aufgeben und im Sommer 1938 verkaufte er das Möbelgeschäft. Am Morgen des 10. November 1938, dem Tag nach der sogenannten „Reichskristallnacht“, wurde Leo Haberer von den Nationalsozialisten aus seinem Bett gezerrt, auf einen Lastwagen gezwungen und ins Gefängnis gebracht. Zusammen mit allen anderen männlichen Juden Offenburgs über 16 Jahren wurde er abends den teils johlenden und brüllenden Menschen ausgesetzt, als sie zu Fuß vom Gefängnis zum Bahnhof laufen mussten. Von dort aus wurden sie nach Dachau deportiert. Zu diesem Zeitpunkt war er körperlich krank. Er litt sehr unter der Misshandlung im Konzentrationslager in Dachau.  

Er überlebte die Gefangenschaft in Dachau mit Schwerhörigkeit und weiteren schweren psychischen und physischen Folgen. Seit der Verhaftung von Leo Haberer lebte seine Frau Thekla in  ständiger Angst und Sorge, dass ihr Gleiches widerfahren könnte.  

Im Dezember 1938, nach der Freilassung Leo Haberers, floh die Familie in die USA. Die Auswanderung war vermutlich schon im Sommer geplant, da die Familie Haberer bereits Ende August ihr Hausgrundstück verkaufte. Die jüngste Tochter Ellen war zum Zeitpunkt der Auswanderung 12 Jahre alt, Leo selbst war 51. Die Familie fuhr mit dem Dampfer „Washington“ der United States Lines nach New York. Sie reisten mit sehr viel Gepäck, da die Familie durch die Möbel- und Ausstattungsgeschäfte gut eingerichtet war. 

Nachdem Leo in New York keine Arbeit finden konnte, zogen die Haberers nach Philadelphia um. Dort bekam Leo von 1940-1945 eine Stelle als ungelernter Arbeiter in einer Herrenbekleidungsfabrik. Die Arbeit war jedoch schwer und ging über seine physischen Kräfte hinaus. Nach dem Kriegsausbruch verlor er seinen Arbeitsplatz, da er noch im Besitz der deutschen Staatsbürgerschaft war und dadurch formal betrachtet als feindlicher Ausländer galt. Seinen alten Beruf konnte er nicht mehr ausüben. Leo fand Tätigkeiten in der Bekleidungsbranche, er brachte anprobierte Kleidungsstücke zurück an ihren Platz und erledigte viele Hilfsarbeiten. Nachdem der Krieg beendet war, verlor er erneut seinen Arbeitsplatz, da die Firma auf Friedensproduktion umstellte. Zu diesem Zeitpunkt war er 59 Jahre alt.

Seine schwierige finanzielle Lage und die Fabrikarbeit machten ihm sehr zu schaffen. Als er schließlich keine Arbeitsstelle mehr finden konnte, beschloss er in New York einen Hausierhandel mit Nähartikeln zu betreiben. Jedoch scheiterte der Versuch 1948, als ihm die Arbeit über dem Kopf gewachsen war und sein körperlicher Zustand immer schlimmer wurde. Schwer krank siedelte er 1948 mit Frau und Kindern nach Kalifornien um. Dort half er bis zu seinem Tod am 20. Mai 1952 in einem Studentenhaus mit. 

 Mona Faißt
Gedenkbuch im Salmen (Offenburg), 2011/2012 

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