Neue Medienstation in Emmendingen

Entwicklung digitaler Formate zur Wissens- und Informationsvermittlung

Der Verein für jüdische Geschichte und Kultur Emmendingen e.V. hat im Jahr 2021 eine Medienstation „Jüdisches Leben in Emmendingen“ für die Dauerausstellung im Erdgeschoss des Jüdischen Museums gestaltet.

Seit März 2022 steht sie den Besucher:innen des Museums zu den regulären und besonderen Öffnungszeiten für ihre persönlichen Recherchen zur Verfügung. Sie unterstützt die Vermittlungsarbeit des Trägervereins durch ein digitales Format. Im Rahmen der gedenkstättenpädagogischen Vermittlungsarbeit können junge Menschen bei Führungen oder im Rahmen selbstständiger Recherchen das digitale Angebot der Medienstation nutzen. Sie können eigene Zugänge zur jüdischen Geschichte der Stadt Emmendingen und zur Erinnerungsarbeit finden und gestalten.

Die Medienstation gliedert sich in die drei Hauptbereiche „Erinnerung“, „Neubeginn“ und „Vermittlung“. Im Hauptmenüpunkt „Erinnerung“ finden sich die Unterrubriken „Menschen“, „Gemeindeleben“, „Politik und Gesellschaft“, „Kultur und Freizeit“, „Ökonomie“, „Zerstörung der Gemeinde“ und „Zeichen der Erinnerung“. Unter der Unterrubrik „Menschen“ können sich die Nutzer:innen mit den Lebensgeschichten Emmendinger Jüdinnen und Juden vertraut machen.

Dort findet sich ein Gedenkbuch mit biografischen Einzeleinträgen zu 533 jüdischen Personen. Ausgewählt wurden Menschen, die zu Beginn der NS-Diktatur noch in Emmendingen gelebt haben oder die in Emmendingen geboren wurden und die NS-Zeit erlebt haben. Die Nutzer:innen erhalten umfangreiche Informationen über das Verfolgungsschicksal der porträtierten Menschen: Flucht, Vertreibung, Emigration, Deportation, Überleben, Ermordung in (Vernichtungs-)Lagern. Zahlreiche Dokumente und Fotos erläutern ihre Schicksale. Nachfahren jüdischer Familien aus Emmendingen haben die intensive und aufwändige Internetrecherche unterstützt und wertvolles Material aus privaten Archiven zur Verfügung gestellt.

Alle weiteren Unterrubriken im Hauptmenüpunkt „Erinnerung“ vermitteln unter dem jeweiligen Aspekt Wissen über die lokale jüdische Geschichte, stellen aber auch notwendiges Hintergrundwissen zur deutschen Geschichte in Kurzform zur Verfügung. Die Nutzer:innen erhalten vielfältige Informationen über die reiche und spannende, aber auch erschütternde jüdische Geschichte der Stadt Emmendingen von 1716 bis 1940. Der Umgang mit der Geschichte der Shoah/des Holocaust nach 1945 und die Auseinandersetzung mit der lokalen NS-Geschichte sowie die Entwicklung einer Erinnerungskultur vor Ort runden den Hauptmenüpunkt „Erinnerung“ ab.

Der Hauptmenüpunkt „Neubeginn“ richtet den Fokus auf die 1995 wiedergegründete Jüdische Gemeinde Emmendingen. Die Medienstation gewährt Einblicke in das heutige jüdische Leben. Mitglieder der Gemeinde stellen sich in kurzen Videos vor und schildern ihren persönlichen Werdegang. Sie spiegeln die spannende Vielfalt der Menschen in der gegenwärtigen Gemeinde wider. Texte und Fotos informieren über die heutigen Gemeindeeinrichtungen, die Aufgaben und Aktivitäten der Gemeinde.

Der Hauptmenüpunkt „Vermittlung“ informiert über die Erinnerungs-, Gedenk- und Vermittlungsarbeit des Trägervereins. Das Jüdische Museum Emmendingen als lebendiger Erinnerungs-, Gedenk- und Lernort jüdischer Geschichte und Kultur lädt zur Begegnung und zum Kontakt mit dem Facettenreichtum jüdischen Lebens ein, nicht nur im Museum selbst, sondern auch bei den vielen Kulturveranstaltungen in Zusammenarbeit mit der Jüdischen Gemeinde und der Stadt Emmendingen.

Den Gestalter:innen der Medienstation war es ein großes Anliegen, eine Brücke zwischen der historischen Israelitischen Gemeinde und der heutigen Jüdischen Gemeinde zu schaffen.

Die Medienstation enthält die unterschiedlichsten Medientypen wie Texte, Fotos, Dokumente, Tagebucheinträge, Radiofeatures, Filmsequenzen und Videos. Die Präsentation erfolgt über einen Touchscreen-Monitor. Er ist passgenau in einen historischen Koffer aus den 1940er-Jahren eingearbeitet. Ein „Hingucker“ und eine flexible Lösung, mit der einer anstehenden Neukonzeption der Dauerausstellung im Jüdischen Museum nicht vorgegriffen wird. Der Koffer symbolisiert außerdem viele Aspekte jüdischen Lebens: Zuwanderung, Abwanderung und Auswanderung, Flucht, Vertreibung und Deportation.

Die Medienstation ist datenbankgestützt und so konzipiert, dass neue Inhalte und aktuelle Forschungs-Ergebnisse fortlaufend eingearbeitet werden können.

Das weitgehend ehrenamtlich tätige Projektteam bestand aus Dorothea Scherle Dipl.-Theol., Monika R.R. Miklis M.A. und Carola Grasse Dipl.- Päd. Projektpartner und Gestalter der Medienstation war Steffen Krauth Dipl. Des. von der Firma lautschrift – atelier für visuelle kommunikation & design. Die ehrenamtlich tätigen Projektmitarbeiter:innen des Jüdischen Museums Dorothea Scherle und Carola Grasse haben 2.000 Stunden ehrenamtliche Arbeit für die Medienstation geleistet. Monika R.R. Miklis hat als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Kuratorin des Museums im Rahmen ihrer Beschäftigung am Projekt mitgewirkt.

Die Kosten für die Medienstation beliefen sich insgesamt auf etwa 15.000 €. Das Projekt wurde durch die Stadt Emmendingen, die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, Nachfahren jüdischer Familien aus Emmendingen und die Jüdische Gemeinde Emmendingen K.d.ö.R. finanziell gefördert.

Bild (©Markus Zimmermann): v.l.n.r. Steffen Krauth, Gestalter der Medienstation, Natascha Thoma-Widman, Leiterin des Fachbereiches Familie, Kultur, Stadtmarketing, Carola Grasse und Dorothea Scherle, Verein für jüdische Geschichte und Kultur Emmendingen e.V., Julia Geike, Stadtarchivarin, OB Stefan Schlatterer. Es fehlt Monika R.R. Miklis.

Text: Carola Grasse, Vorsitzende des Vereins für jüdische Geschichte und Kultur Emmendingen e.V.

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